Mutproben
Kampf gegen die damals geplante Einführung der Stufenschule in Hamburg. Die SPD hatte das Modell vorgeschlagen und wollte damit Grundschulzentren errichten, Mittelstufenzentren und Oberstufenzentren. Ich sehe es noch wie heute vor mir: »Stoppt die Stufenschule«, so lautete der Schlachtruf unserer Gegenkampagne. Zusammen mit einem Drucker hatte ich Aufkleber grafisch konzipiert und Flugblätter drucken lassen, die wir überall in der Stadt verteilten. Und ich hielt an über dreißig Schulen Vorträge dazu.
Unerwartete Unterstützung bekamen wir damals von einem wohlhabenden Hamburger Kaufmann. Der war auf uns aufmerksam geworden, und ihm stank es, dass beinahe alle Jugendlichen damals links waren. Er wollte also etwas bewegen und junge konservative Christdemokraten finanziell unterstützen. Dieser Kaufmann finanzierte uns über lange Zeit eine komplette Landesgeschäftsstelle mit Büroräumen, einem Geschäftsführer, einem Bildungsreferenten und einem Drucker, der nur für die Produktion von Flugblättern zuständig war. Darüber hinaus stellte er auch Barmittel zur Verfügung, um Schulsprecherwahlkämpfe finanzieren zu können. Mit richtigen konzeptionellen Wahlkämpfen hatten wir es dann tatsächlich geschafft, irgendwann ein Drittel aller Schulsprecher an Gymnasien durch die Schülerunion in Hamburg zu stellen.
Die Zeit damals war politisch enorm aufgeladen. Man konnte immer und überall Politik wahrnehmen. Und so änderten sich im Landesvorstand der Jungen Union die Themen. Plötzlich ging es mehr um die Beschäftigung mit linken und
rechten Positionen als um schulspezifische Themen. Es war die Zeit der Linksradikalen, die zwar keine Terroristen, aber doch entweder im Kommunistischen Bund unterwegs waren oder in der Roten Garde. Oder es waren Maoisten. Gegen sie organisierte ich mich mit der Jungen Union. Wir veranstalteten Bildungsseminare und hielten Vorträge in den Schulen und Ortsverbänden. Doch unsere Positionen waren nicht gerade beliebt, überzeugen konnten wir nur wenige. Die vielen linken Idealisten schoben uns doch ins Abseits.
Dennoch verlor ich nie den Spaß an der politischen Arbeit und dem Spielerischen daran. Aber die Arbeit in der Jungen Union wurde doch ernsthafter betrieben als noch kurz zuvor in der Schülerunion. Wir bekamen Kommunikationsexperten an die Seite, die uns zeigten, wie man auf Menschen zugeht. Ich selbst war eher schüchtern und introvertiert. Das direkte Gespräch mit Fremden lag mir nicht besonders. Aber mich interessierte die Technik, wie man Menschen für sich gewinnt. Wir neigten dazu, uns mit den eigenen Leuten hinter die Infostände auf die Straße zu stellen und zu warten, bis jemand uns anspricht. »Zwingt euch rauszugehen«, wurde uns gesagt, »geht auf die Leute zu, verteilt allein eure Flugblätter und nicht immer in der Gruppe.« Das war zunächst ungewohnt und für mich auch nicht leicht. Doch die Erfolge stellten sich schnell ein. Man kam ins Gespräch, ich verlor meine Scham, mich den Menschen direkt zu stellen, und damit wuchs wiederum der Spaß an der Sache. Es waren direkte Erfolgserlebnisse, die man auf der Straße hatte.
Meine Begeisterung für politische Kommunikation ging
schließlich soweit, dass mir in der Jungen Union zur Wahl eines Landesvorstands die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit übertragen wurde. Ich veröffentlichte einen Leitfaden, wie die Kommunikation zu gestalten sei. Dabei ging es um die Fragen, welchen Kleister man am besten verwendet, wie man Flugblätter gestaltet, welche Matrizen die besten sind oder wie genau man mit den Leuten auf der Straße kommuniziert. Ich fand das unglaublich spannend und dieser Leitfaden wurde quasi mein Gesellenstück.
Ebenso liebte ich es, vor vielen Menschen Reden zu halten. Ich liebte es zu debattieren. Ich liebte es, mich der Kritik auszusetzen. Und natürlich genoss ich es auch, beklatscht zu werden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit fühlte ich mich durchaus wohl. Von meinem Vater hatte ich eine gewisse rhetorische Begabung geerbt, was ich auf eine kleine Übung zurückführe, die er mit mir als Kind gerne machte. Gemeinsam legten wir uns abends dann ins Elternbett, er auf seine Seite, ich auf die meiner Mutter, und mein Vater las mir etwas vor. Er war ein großer Freund der Lyrik, rezitierte selbst am laufenden Band und bei jeder noch so kleinen Gelegenheit. Und er legte Wert darauf, dass auch seine Kinder das beherrschten. So lagen wir also da, im Bett, mit Ringelnatz oder Wilhelm
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