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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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selbst der Ole nichts mehr verschlimmern.
    Mich reizte die Aufgabe. Und ich hatte nichts zu verlieren. Ich stand vor der Wahl, mich entweder intensiv um meine Karriere als Anwalt zu kümmern oder Politik als Fulltimejob zu praktizieren. Nun sah ich also meine Chance. Der erste Parteitag nach der Niederlage wurde meine Bühne. Zwanzig Minuten wollte ich reden. Drei Tage zuvor hatte ich mich zurückgezogen, um mich detailliert darauf vorzubereiten. Teilweise allein, teilweise aber auch mit Freunden schrieb ich am Manuskript herum, änderte Passagen, übte das Reden. Einer dieser Freunde war rhetorisch äußerst bewandert und verpasste
dem Ganzen den letzten Schliff. Die Rede war liebevoll und mit großer Hingabe vorbereitet worden und ich wusste, dass sie gut war. Ich war einer der letzten Redner, es war spät am Vormittag, und ich bekam einen riesigen Applaus, der nicht enden wollte. Den Ritterschlag erteilte mir danach Volker Rühe, der öffentlich bekundete: »Wir haben einen neuen Hoffnungsträger!«
    Ich war bis über beide Ohren stolz. Rühe war damals Verteidigungsminister im Kabinett Kohl, und als ich aus dem Amt des Fraktionsvorsitzenden heraus Spitzenkandidat der CDU wurde, da erfuhr ich, dass Kohl gegen meine Kandidatur gewesen war. Er sah mich als ein Jüngelchen und sagte zu einigen: »Was soll das, ihr braucht einen Kaufmann, nehmt jemanden aus der Handelskammer oder einen Reeder. Das passt zu Hamburg, aber doch nicht dieser Sunnyboy.« Doch Helmut Kohl hatte nicht ernsthaft interveniert. Dafür erschien ihm die CDU in Hamburg wohl auch viel zu unbedeutend. Immerhin hatten wir gerade desaströs eine Wahl verloren. Die SPD war als Sieger hervorgegangen und stellte mit Henning Voscherau nun einen starken Bürgermeister.
    Zumindest konnte ich die Parteitagsdelegierten von mir überzeugen, auch gegen die Bedenkenträger, und wurde so Fraktionsvorsitzender. Es war mein Durchbruch. Die nächsten vier Jahre wurden gute Lehrjahre für mich, in denen ich vor allem versuchte, diesen Imageschaden wegzubügeln, der mir anhaftete. Ich war engagiert und sehr präsent. Noch heute erinnere ich mich an mindestens zwanzig Grünkohlessen allein im ersten Jahr und an unzählige plakatierte Veranstaltungen
mit dem Motto: »Ole bei uns«. Auch hier floss meine Leidenschaft für die Sprache in die Politik mit ein, denn wir entschieden uns damals schon für einen umgangssprachlichen Ton statt für das allgegenwärtige Politikdeutsch: »Ole vor Ort«.

    1997 folgte dann meine erste Wahl als Spitzenkandidat der Union. Henning Voscherau war damals der König von Hamburg, und wir versuchten einen Wahlkampf zu machen, der ganz auf mich zugespitzt war, da man mich in der Öffentlichkeit noch nicht besonders gut kannte. »Ich bin für Ole«, hieß die Kampagne, in der sich Hamburger für mich stark machten.
    Henning Voscherau kannte ich noch aus Kindertagen. Er war häufig bei uns Zuhause gewesen in der Zeit, als er SPD-Fraktionsvorsitzender war und mein Vater noch Bezirksbürgermeister in Wandsbek. Ich war damals zwölf oder dreizehn Jahre alt, und wenn er zu Besuch kam, hörte ich immer interessiert mit zu, was sich die Erwachsenen zu erzählen hatten, bis ich mich irgendwann doch verpieselte. Jedenfalls kokettierte Henning Voscherau später im Wahlkampf gern damit, indem er sagte: »Den kleinen Ole kannte ich schon, als er noch kurze Hosen anhatte.« Das entsprach zwar der Wahrheit, aber wahrscheinlich machte er das nur, um zu demonstrieren, dass ich ein Leichtgewicht sei und man mich nicht so ernst nehmen solle.
    Ich selbst hielt ihn immer für einen hervorragenden Repräsentanten. Er sprach ein ausgezeichnetes Englisch und
hatte einen sehr gewandten Umgang. Und er war ein strategischer Kopf, was sich etwa in seiner Idee zum Bau der Hafencity zeigte. Auf der anderen Seite war er extrovertiert und selbstverliebt. Er hatte diese affektierte Art zu sprechen, die ich nie mochte. Ich hielt ihn nicht für einen schlechten Bürgermeister, aber meine persönliche Sympathie hielt sich in Grenzen. Er erwähnte gern, dass sein Vater ein berühmter Volksschauspieler gewesen war, und teilweise hat er die Rolle des Bürgermeisters, oder wie er meinte, dass ein Hamburger Bürgermeister eben zu sein hätte, wohl auch selbst gespielt.
    Voscherau beging bei diesem Wahlkampf 1997 jedenfalls einen Kunstfehler. Er hatte seine Kandidatur mit seinem Rücktritt verknüpft, sollte die SPD unter der Vierzig-Prozent-Marke landen. Sie erhielt 37 Prozent, die

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