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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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durchaus sehr machtbewusst. Zwei Ziele hatte ich ins Auge gefasst. Das eine war, Bundeskanzler zu werden. Ein nicht ganz so realistisches Ziel – eher Spinnerei. Aber ich wollte schon ernsthaft Karriere machen in der Politik. Und so hatte ich noch ein zweites Ziel ins Visier genommen: Bürgermeisterkandidat der Hamburger CDU. Es war die Zeit von Walter Leisler Kiep und Hartmut Perschau, die beide Bürgermeisterkandidaten waren in den Achtzigerjahren.
Leisler Kiep war 1982 auf über 43 Prozent gekommen, ein unglaubliches Ergebnis für damalige CDU-Verhältnisse. Aber es fand sich kein Koalitionspartner, und so gewann Klaus von Dohnanyi bei den Neuwahlen die absolute Mehrheit. Seit jener Zeit liebäugelte ich mit dem Amt und war entschlossen, eines Tages selbst als Kandidat nominiert zu werden. Bürgermeister: Das ging ja schließlich nicht in Hamburg, da war die SPD, seitdem ich denken konnte. Und ernsthaft glaubte keiner daran, dass sich das irgendwann mal ändern würde. Ein CDU-Bürgermeister, das war völlig illusorisch. Vor jeder Wahl pushte man sich natürlich hoch und wagte ein wenig zu hoffen, aber das waren Blütenträume.
    Ich jedoch war fest entschlossen aufzusteigen. Ich wollte etwas bewegen, ich wollte bestimmen. Und wenn es als Bürgermeister doch nie hinhauen würde, so dachte ich, sollte ich doch wenigstens innerhalb der Partei weiterkommen. Denn in der Politik ist es nicht anders als in anderen sozialen Gruppen, ob nun im Sport, in der Kunst oder in der Wirtschaft: Entscheidend für die eigene Psyche ist nicht unbedingt der objektive Erfolg, sondern die Akzeptanz, das Dazugehören, die Führung der eigenen Gruppe. Und ich war immer lieber der Kopf einer Maus als der Schwanz eines Löwen.

Teil 2
    [REF 2]
    »Wir dürfen nicht die politische Freiheit wählen, weil wir uns ein bequemeres Leben versprechen, sondern weil sie selbst einen letzten Wert darstellt, der nicht auf materielle Werte zurückgeführt werden kann.«

    Karl Popper
    »Die Philosophie und die Wissenschaft«

Politikerjahre I – Oder warum ich immer unterschätzt wurde
    Talentiert, aber faul – mit diesem etwas zweifelhaften Ruf musste ich mein ganzes politisches Leben zurande kommen. Obwohl ich sechs Jahre Landesvorsitzender der Jungen Union gewesen war und davor schon Vorsitzender der Schülerunion mit eigentlich sehr guten Ergebnissen, traute man mir innerhalb der CDU nicht das zu, was ein Politiker wohl haben musste, wenn er in diesem Haifischbecken Karriere machen wollte: den nötigen Biss. Man hatte mich als Sunnyboy abgestempelt. Nett und talentiert, aber eben auch ein Hobby-Segler und Leichtmatrose. Solche Vorurteile sind schnell oberflächlich gefällt, und wenn einem ein solcher Stempel erst einmal aufgedrückt ist, dann kriegt man ihn nur schwer wieder weg.
    Schon mein äußeres Erscheinungsbild trug dazu seinen Teil bei. Ich muss nur drei Stunden in die Sonne gehen, um braun zu werden. Andere brauchen dafür drei Wochen. Wenn ich einen Tag an der See bin, erwecke ich den Eindruck von vierzehn Tagen Urlaub. Ich war also immer knallbraun und sah erholt aus und dann noch meine hellblonden Haare dazu, das reichte vielen schon, um mich als Sunnyboy abzustempeln. Und vielleicht liegt es auch daran, dass ich nie wirklich viel »Alphatier-Gehabe« benötigte, um Karriere zu machen. Zwar wusste ich immer, was ich wollte, aber die Leute mochten mich gleich und so brauchte ich meinen Willen nie mit besonderer Kraftanstrengung durchzudrücken. Ich konnte immer mit großen Sympathien rechnen. Mag sein, dass man
mehr Power und Dampf und Autorität entwickelt, wenn man sich das alles schwer erkämpfen muss.

    Trotz meiner Beliebtheit war ich häufig nur zweite Wahl, und meine politische Laufbahn war sicherlich auch vom Zufall begleitet. Schon in der Jungen Union hatte eigentlich jemand anders den Landesvorsitz übernehmen sollen. Doch der schied aus beruflichen Gründen aus, und so bekam ich das Amt an der Landesspitze. Und dann der Fraktionsvorsitz 1993: Auch dafür war ich gar nicht wirklich vorgesehen. Aber da sich schlicht kein anderer fand, der den Vorsitz übernehmen wollte, nahm man mich. Sozusagen aus Mut der Verzweiflung. Die CDU hatte kurz zuvor nach einem vernichtenden Verfassungsurteil mit 25 Prozent ein katastrophales Wahlergebnis eingefahren. Zehn Prozent hatte die CDU zum Ergebnis von 1991 verloren und keiner wollte in dieser Situation ernsthaft Verantwortung übernehmen. Also wurde gesagt: Wir sind so am Ende, da kann

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