Mutter bei die Fische
dass seine Mutter auch ein Liebesleben haben könnte. Dabei war sie noch jung und attraktiv. Aber er hatte sie immer nur als seine Mama gesehen und als Krankenschwester. Falk schämte sich ein bisschen.
Grit drückte ihm jetzt eine Schale Gulaschsuppe in die Hand. »Ich erzählâs dir bei Gelegenheit mal. Wir sehen uns ja jetzt öfter.«
»Ãfter?«, hakte Falk verständnislos nach.
Grit strahlte nun übers ganze Gesicht. »Ich habe meinen Jahresurlaub genommen. Und noch ein bisschen Ãberstundenausgleich drangehängt. Ich bleibe vier Wochen hier!«
Falk fiel die Kinnlade herunter.
7.
Falk saà schniefend in seiner Strandhütte, in eine warme Decke eingekuschelt, und klammerte sich an seinen heiÃen Kaffeebecher. Er hatte bereits zwei Päckchen Taschentücher verbraucht, die nun zum Teil in seinem Mülleimer, zum Teil um ihn herum auf dem Boden lagen. Wegen jeder einzelnen Rotzfahne konnte er sich unmöglich aus seinem Liegestuhl erheben. Er hatte Gliederschmerzen und das Gefühl, zusammenbrechen zu müssen, wenn er nur den Versuch unternahm aufzustehen. Also zielte er mit den Taschentüchern mehr schlecht als recht auf den in der anderen Ecke der Hütte stehenden Korb. Das sah nicht gerade sauber und ordentlich aus, aber Falk erwartete heute ohnehin keine nennenswerte Anzahl von Kunden, die einen Strandkorb mieten wollten. Er hielt seine Bude vielmehr deswegen auf, weil er zu erschöpft war, um sich wieder nach Hause zu schleppen.
Das Pfingstwochenende hatte er noch so halbwegs hinter sich gebracht, obwohl ihn bereits Halsweh und Schnupfen geplagt hatten. Kein Wunder, nach dem Einsatz im Regen am Freitag. Auch die drei anschlieÃenden Tage hatte er nicht ausruhen können, sondern sich um seine Strandkorbvermietung kümmern müssen. Es war der Beginn der Saison, über Pfingsten kamen viele Kurzurlauber, und das Wetter war sonnig gewesen, mit Wind â optimales Strandkorbwetter. AuÃerdem hatten er und Nille immer wieder in der Halle nach dem Rechten gesehen. Aber dort war alles in Ordnung gewesen, denn offensichtlich hatten die Komparsen alle Tage komplett am Drehort verbringen müssen und waren lediglich zum Schlafen in die Halle gekrochen. Falk hatte den Treck eines Abends gesehen: Hundertfünfzig Mann in amerikanischen Soldatenuniformen aus dem Zweiten Weltkrieg waren nach Drehschluss durch die Dünen gezogen, bevor sie sich geteilt hatten und die eine Hälfte in Richtung Campingplatz, die andere zu seiner Halle weitergelaufen war. Die Jungs hatten so fertig und erschöpft ausgesehen, nass, übermüdet und hungrig, dass Falk sich gut vorstellen konnte, dass ihre Darstellung der GI s sehr lebensnah und glaubhaft war.
Ansonsten hatte Falk nichts vom Filmteam gehört und gesehen â wie es der Produzent angekündigt hatte. Allerdings hatte Falk auch tunlichst darauf geachtet, dass er den Fernsehheinis nicht zu nahe kam, und einen groÃen Bogen um die Dreharbeiten gemacht. Gefilmt wurde an einem abgesperrten Strandabschnitt zwischen Leuchtturm und dem Strand von Tüdersen, der so weit drauÃen lag, dass sich dort traditionell keine Badegäste aufhielten. Lediglich Spaziergänger passierten diesen Teil des Strandes, und die würden in der Zeit der Dreharbeiten eben einen Umweg in Kauf nehmen müssen. Aber die wenigsten Touristen störten sich daran. Im Gegenteil, so hatte Jörn beim samstagabendlichen Shantysingen berichtet, die meisten fanden es durchaus spannend, dass auf »ihrer« Insel gedreht wurde. Sie machten Fotos und holten sich Autogramme.
Hubsi hatte daraufhin stolz berichtet, dass Karli, der Produzent, die Professionalität der Insulaner über den grünen Klee gelobt hatte, was aber auÃer ihm kaum einen der Insulaner besonders juckte. Im Gegenteil, Silke Söderbaum hatte der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass das Fernsehteam sich ebenfalls als professionell erwies, denn sie war äuÃerst skeptisch, was die Einhaltung der Auflagen zum Naturschutz anging. Sie und Thies Hoop hatten Ruhezeiten, Müllentsorgung und sanitäre Anlagen am Set vertraglich sehr dezidiert regeln lassen, damit sich der Schaden für die dort lebenden Tiere in Grenzen hielt. Daraufhin hatten Hubsi und Thea von Boistern die Verbohrtheit der Naturschützer angeprangert, die jede Innovation, mit der man den Tourismus auf Heisterhoog hätte nach vorne bringen können, im Keim erstickte. Silke
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