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Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Matisek
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zu bekommen, entsprechend begehrt waren diese Filetstückchen. Ein Fasan huschte vor Falk über den Weg, und gleichzeitig vibrierte das Handy in seiner Tasche. Er zog es hervor und atmete erleichtert auf. Eine Nachricht von Gina, in der sie ihm mitteilte, dass sie im ICE von Hamburg nach Berlin saß, an ihn dachte und ihn vermisste. Ich liebe dich über alles , lautete die letzte Zeile der Nachricht, und Falk fühlte sich augenblicklich sehr viel besser. Er antwortete entsprechend und beschloss, sich wegen des misslungenen Heiratsantrages keine grauen Haare wachsen zu lassen. Er würde es eben wieder versuchen. Und wieder. So lange, bis Gina ja sagen würde.
    Solcherart beschwingt kam er in Tüdersen an. Der kleine Kiosk hatte schon geschlossen, aber die Bushaltestelle war beleuchtet, und ein Penner saß darin auf der Bank, zu seinen Füßen eine Tüte. Der Mann hatte graue lockige Haare und trank aus einer Dose. Ein sehr ungewöhnlicher Anblick auf Heisterhoog, dachte Falk. Bettler oder Obdachlose gab es auf dieser touristischen Insel eigentlich nicht, und Falk fragte sich gerade, wie sich der Mann hierherverirrt haben mochte, als dieser hochsah und Falk direkt anblickte. Irgendetwas an ihm kam Falk seltsam bekannt vor, weshalb er stehen blieb und ihn aus der Ferne beobachtete. Der Penner hob seine Bierdose hoch, um ihm zuzuprosten. Falk nickte beklommen. Woher kannte er den Typen nur? Vielleicht war das einer von denen, die in seinem Hamburger Kiez vor dem Tengelmann kampiert hatten? Da erhob sich der Mann und machte ein paar Schritte auf Falk zu. Der Kerl war riesig, mit breiten Schultern, die gebeugt nach vorne fielen. Die langen Arme, die fast jugendlich-schlaksige Haltung, die großen Füße – Falk fiel es wie Schuppen von den Augen. Als der Mann auf eine Entfernung von ungefähr zehn Metern an ihn herangekommen war, stotterte Falk fassungslos: »Papa?!«

10.
    Sein Vater breitete seine langen Arme aus, grinste schief und sagte erfreut: »Falk, mein Junge!«
    Falks erstes Gefühl war Panik. Er musste heftig gegen den Impuls, sich auf der Stelle umzudrehen und wegzulaufen, ankämpfen. Sein Vater auf der Insel! Das konnte, nein, das durfte nicht sein! Und dann noch mit einer offensichtlich sentimental-gefühligen Anwandlung – Falk war schockiert. Sein Verhältnis zu Harms war denkbar schlecht. Was weder daran lag, dass dieser ihn und seine Mutter hatte sitzenlassen – so was passierte nun mal –, noch daran, dass Grit sich über ihn beschwert hätte. Das tat sie niemals, obgleich Falk immer wusste, wie bitter die Trennung von Harms für sie war. Nein, es lag einzig und allein daran, dass Harms Falk sein Leben lang nichts anderes entgegengebracht hatte als Desinteresse. Harms Thomsen war ein international gefeierter Schriftsteller, der vor über zwanzig Jahren nach Amerika gegangen war. Er hatte eine Menge Erfolg gehabt, viel Geld verdient und sich nie aus eigenem Impuls bei seiner Exfamilie gemeldet. Grit hatte sich ohnehin jeden Kontakt verbeten, aber nur was sie selbst betraf, nicht ihren gemeinsamen Sohn. Doch nicht einmal an Falks Geburtstagen war Harms in der Lage gewesen, sich zu melden. Obwohl Grit sich immer geweigert hatte, von Harms finanzielle Unterstützung anzunehmen (worüber Harms, der ihr widerstrebend Unterhalt angeboten hatte, seinerseits ganz froh gewesen war), war sie sehr hinterher gewesen, dass Falk Kontakt zu seinem leiblichen Vater hielt. Als kleiner Junge hatte er in regelmäßigen Abständen mit seinem Vater telefoniert – telefonieren müssen. Dieser hatte jedoch darauf bestanden, dass Falk ihn beim Vornamen nannte und bloß nicht »Dad« oder »Papa« sagen sollte. Falk (der seinen Vater deshalb hartnäckig »Papa« nannte, nur um ihn zu ärgern) unterstellte, dass der einzige Grund dafür war, dass Harms, dieser eitle Geck, sich nicht alt fühlen wollte. Diese Telefonate waren sehr einseitig gewesen, und schon als kleiner Junge hatte Falk gemerkt, dass Harms sich nicht die Bohne für seine Erzählungen interessierte. Er fragte nicht nach, er erzählte nichts von sich, er ertrug diese Gespräche und legte dann auf, nicht ohne Falk ein tolles Geschenk zu versprechen, das natürlich nie gekommen war. Harms hatte ihm auch immer weisgemacht, dass er ein Ausbildungskonto für ihn anlegen würde, aber als Falk ihn einmal darauf angesprochen hatte, hatte Harms davon

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