Mutter bei die Fische
nichts wissen wollen.
Als junger Mann hatte Falk, angestachelt von diversen Freundinnen, die die Romane seines Vaters gelesen hatten und ganz »himmlisch«, »verrückt« oder »so amerikanisch« fanden, beschlossen, den Coolness-Faktor, den sein in Manhattan lebender Vater ihm automatisch verlieh, zu nutzen und diesen zu besuchen. Zweimal war er dort gewesen, und beide Besuche waren Waterloo-Erlebnisse gewesen.
Bei seinem ersten Aufenthalt, direkt nach dem Abitur, Falk war neunzehn, hatte er das Apartment seines Vaters nach fünf Tagen fluchtartig verlassen und war mit Bussen tagelang durch Amerika bis nach Seattle gefahren. Dort hatte ein Kumpel einen Job in einem Sägewerk gehabt, und das war allemal besser gewesen, als sich das Apartment mit seinem dauernörgelnden Vater und dessen »Studentinnen« zu teilen. Harms hatte das Klischee vom erfolgreichen Schriftsteller voll bedient. Er war nicht vor Mittag aus dem Bett gekrochen, hatte dann muffelnd Klo und Küche blockiert, seine Tageszeitung, Kaffeetassen und Aschenbecher überall verbreitet und sehr deutlich demonstriert, dass die Anwesenheit eines weiteren Lebewesens nicht erwünscht war. Damit allein hätte Falk umgehen können, er hatte sich die Tage ohnehin mit Sightseeing vollgepackt, war durch SoHo, Brooklyn und Greenwich Village gestreift und irgendwann spätabends zurückgekehrt. Dann aber war an Schlaf nicht zu denken gewesen, denn das Loft von Harms war immer voller Menschen gewesen. Junge Frauen, schwule Filmemacher, alte professorale Männer (angeblich Schriftsteller-Freunde, tatsächlich aber, wenn man Harms Glauben schenkte, böse Konkurrenten, die es nur darauf abgesehen hatten, ihn auszuspionieren und mieszumachen) und mittendrin Harms at his best . Blendender Laune, charmant, groÃzügig â der geborene Gastgeber und Unterhalter. Falk hatte kein Auge zumachen können. Und er wollte, wenn er schon mal in New York war, nicht den ganzen Tag verschlafen. Also war er geflohen â zur Freude von Harms â und hatte aus seinem Amerikaaufenthalt noch das Beste herausgeholt.
Bei seinem zweiten Besuch, mit fünfundzwanzig, war es anders, aber nicht einen Deut besser gewesen. Er war mit Bille dort gewesen, seiner damaligen Freundin, frisch verliebt. Sie hatte so lange genervt, bis er wider besseres Wissen nachgegeben hatte und mit ihr gefahren war. Wieder war Harms nicht vor Mittag aufgestanden und wieder hatte er herumgenörgelt, ausgreifend mit seiner Zeitung hantiert und unmissverständlich klargemacht, dass er auf Falks Gegenwart wenig Wert legte. Auf Falks wohlgemerkt, nicht auf Billes. Für Falk war es nicht nur unappetitlich, es war auch in höchstem Maà nicht nachvollziehbar, wie Harms Bille in seinen Bann zog.
»Er ist ein alter, stinkender Sack«, hatte Falk sich mit ihr gestritten, nachdem er wiederholt schmollend vor Bille und seinem Vater ins Bett gegangen war.
»Er ist klug, charmant und erfolgreich â das ist sexy!«, hatte Bille gekontert, und da war bei Falk der Ofen aus gewesen. Erneut hatte er seine Sachen gepackt, und noch heute wunderte er sich, dass Bille es ihm gleichgetan hatte. Wieder waren sie in den Greyhounds kreuz und quer durch die Staaten gefahren â die ersten zwei Tage, ohne miteinander zu sprechen. In San Francisco hatten sie schlieÃlich groÃartigen Versöhnungssex gehabt, und Falk hatte inständig gehofft, dass Bille sich dabei nicht seinen Vater vorgestellt hatte. Seit diesem Besuch war das Thema »Papa besuchen« für Falk vom Tisch gewesen. Er hatte auch die Telefonate längst eingestellt. Vergangenes Jahr, als Sten gestorben war, der ältere Bruder seines Vaters, hatten sie ein letztes Mal Kontakt gehabt. Harms und Falk hatten zu gleichen Teilen das Land von Sten geerbt, und angesichts seines groÃen Vermögens hatte Harms groÃzügig zu Falks Gunsten auf seinen Erbteil verzichtet. Damals war ihm wohl nicht klar gewesen, wie wertvoll der Grund tatsächlich war, denn erst ein paar Wochen nach dem Inkrafttreten des Testaments hatte sich herausgestellt, dass Falk beim Verkauf Millionär hätte werden können.
Und nun stand sein Vater auf einmal hier, an der Bushaltestelle von Tüdersen, in der Hand eine Plastiktüte mit Bierdosen, und sah aus wie ein Penner.
»Was ist denn, mein Junge, freust du dich gar nicht?« Harms lieà die Arme sinken und zog eine Schnute.
Er redet wie eine
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