Mutter bei die Fische
aus dem Garten der »Auster«. Den Abschluss machte ein Ziegenkäsesoufflé mit heiÃen Rosmarin-Quitten. Die Weinbegleitung war umwerfend und der Abend so entspannt, wie er nur eben sein konnte mit Harms Thomsen am Tisch. Denn dieser erwies sich â wie Grit und Falk bereits vorausgesehen hatte â als ziemlich unangenehmer Gast. So zurückhaltend er sich anfangs gegeben hatte, so sehr riss er nun das Gespräch am Tisch an sich. Immer wieder gab er Anekdoten aus seinem â zugegeben sehr bewegten â Leben von sich. Harms hatte durch seine frühen Jahre in Los Angeles einige Berührung mit der Traumfabrik gehabt und kannte intime Anekdoten von zahlreichen Hollywood-GröÃen. Auch später, als er nach Manhattan umgezogen war, hatte er Kontakt zu anderen prominenten Schriftstellern, Regisseuren und Schauspielern gehabt. Es war nicht so, dass seine Geschichten langweilig oder verstaubt waren, aber sie waren hier, an Grits Fünfzigstem in Heisterhoog, völlig fehl am Platz. Piet, der Pirat, und auch Falk bemühten sich nach Kräften, das Gespräch von Harms Thomsen weg und auf Themen, die Grit interessierten, zu lenken, aber der Schriftsteller kreuzte immer wieder störend den Kurs. Er kannte nur ein einziges interessantes Thema, und das hieÃ: Harms Thomsen.
Falk stieà es auÃerdem äuÃerst unangenehm auf, dass Harms sich beim Essen und Trinken nicht zurückhielt. Im Gegenteil. Er legte einen Appetit an den Tag, als hätte er seit Wochen nichts Richtiges mehr zwischen die Kiemen bekommen. Was vermutlich auch zutraf, wenn man ihn betrachtete. Seine Klamotten schlotterten förmlich an dem groÃen Mann, der einst recht kräftig gewesen war, nun aber nur mehr aus Haut und Knochen bestand. Auch den anderen am Tisch fiel Harmsâ Essverhalten auf, aber niemand sagte etwas, um an Grits Jubeltag keinen Streit vom Zaun zu brechen.
Das, was Harms zu viel aÃ, nahm Gina zu wenig zu sich. Die Austern hatte sie komplett verweigert, obwohl sie sonst eine Schwäche für die glibberigen Delikatessen hatte. Im restlichen Essen stocherte sie lustlos herum, was angesichts der besonderen Köstlichkeiten, die der Koch auffahren lieÃ, verwunderlich war und sehr untypisch für Gina, die sonst immer mit groÃem HeiÃhunger über alles Essbare herfiel. Ein Wesenszug, den Falk besonders an ihr liebte. Auf Nachfrage räumte Gina aber ein, dass sie vermutlich eine kleine Magengeschichte habe, ausgelöst von ihrer derzeitigen Berufskrise.
Das Beängstigende an Harmsâ Anwesenheit aber war weder sein Drang zur Selbstdarstellung noch seine mangelnde Zurückhaltung beim Essen â es war der Husten, der alle Anwesenden am Tisch daran hinderte, den Abend in vollen Zügen zu genieÃen. Immer wieder wurde Harms von starken krampfartigen Hustenanfällen geschüttelt. Dann hielt er sich ein Taschentuch vor den Mund und hustete minutenlang hinein. Falk, Piet, Grit und Gina blickten sich an und dachten alle dasselbe: Das ist der Lungenkrebs. Aber niemand brachte es übers Herz, den Schriftsteller darauf anzusprechen.
Als sie gerade beim vierten Gang, dem Hauptgang, angelangt waren, stand auf einmal Franziska vom Campingplatz an ihrem Tisch. Im Schlepptau hatte sie ihren Mann Robert, der immer einen Schritt hinter seiner Frau stand und selten den Mund aufmachte, stattdessen ein Dauerlächeln im Gesicht trug. Aber Franzi, die Frohnatur aus Gelsenkirchen, sprach sowieso für zwei. Die beiden wollten eben das Restaurant verlassen, sie hatten in einer anderen Ecke der »Auster« gesessen und mussten nun an Grits Tisch vorbei. Franziska begrüÃte Piet, mit dem sie gut bekannt war, herzlich und gab ihrer Freude Ausdruck, Piets »groÃe Flamme«, wie sie offenbar schon wusste, kennenzulernen. Falk wurde ebenfalls geknuddelt und Gina neugierig in Augenschein genommen. Zu guter Letzt begrüÃte Franziska Harms Thomsen, den sie zur Ãberraschung der am Tisch Sitzenden heftig am Ohr zog und dann gegen die Schulter knuffte.
»Na, mein SüÃer â edel geht die Welt zugrunde, was? Keine Platzmiete bezahlen, aber in der âºAusterâ¹ essen!«
Falk fiel beinahe das Lamm aus dem Mund. Das also war des Rätsels Lösung! Von wegen Hotel oder Pension â sein verarmter Vater hatte sich auf dem Campingplatz einquartiert! Und sich offenbar deswegen geschämt, denn er hatte das gut verborgen. Tatsächlich war
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