Mutter der Monster
liebsten alle Gliedmaßen einzeln ausgerissen hätte.
Hass. Schlichter, einfacher, purer Hass.
Angel hat Recht, dachte Buffy. Das gefällt mir nicht.
Überhaupt nicht.
Angel durchbrach die spannungsgeladene Stille.
»Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
Buffy öffnete den Mund, um zu antworten, aber sie bekam nicht einmal die Chance dazu. Die Vampirmutter warf ihren Kopf zurück und riss das Maul auf. Ein wildes Klaggeschrei erfüllte die Luft.
Angel wich stolpernd zurück und zog Buffy an sich, als wollte er sie vor dem Kreischen schützen, das sie kalt und beißend wie ein Winterwind umtoste. Suchend. Lauernd. Auf ihre Vernichtung erpicht.
Buffy hatte gewusst, dass das Böse einen Klang hatte, eine Stimme, dasselbe traf auf die Trauer zu. Nur hatte sie bis zu diesem Moment nicht gewusst, dass beides mit einer Stimme sprechen konnte.
Das Kreischen setzte sich endlos fort, bis es völlig von Buffy Besitz ergriffen hatte. Ihre Sinne waren wie betäubt, erfüllt von dem höllischen Klang, der durch die Jahrhunderte hallen würde, selbst dann noch, wenn die Hölle gefror.
Buffy wollte sich die Ohren zuhalten, aber sie zwang sich, es nicht zu tun. Wenn sie dem Drang nachgab, diesen Lärm auszusperren, würde dies der Vampirmutter einen Vorteil verschaffen, davon war sie überzeugt.
Dann, so abrupt, wie es begonnen hatte, hörte das Kreischen wieder auf. Stille trat ein. So rein und allumfassend, dass Buffy 68
das Rauschen des Blutes in ihren Adern hören konnte. Jeden einzelnen ihrer Atemzüge. Ihr Herz, das laut hämmerte.
Ich lebe, dachte sie. Ich bin ein Mensch. Die Kreatur vor ihr mochte in der Lage sein, ein Kreischen von sich zu geben, das wild und grimmig genug war, um Tote zu wecken, was nicht weiter abwegig war. Schließlich war sie tot.
Dann sah Buffy, wie die Vampirmutter einen Schritt nach vorn trat.
»Uh, oh«, machte Angel an ihrer Seite.
»Ich bin ganz deiner Meinung«, stimmte Buffy zu. »Die Blumen auf ihrem Kleid sind definitiv eine Nummer zu groß«.
»Ihr habt meine Jungs getötet«, zischte die Vampmutter durch ihre spitzen Zähne. »Und jetzt werdet ihr dafür bezahlen.«
Joyce Summers saß in ihrem Wohnzimmer und hatte Fotos von ihrer Tochter vor sich ausgebreitet.
Buffys erste Jahre waren bereits in dem Fotoalbum verewigt.
Buffy als Säugling, als Kleinkind, im Kindergarten. Fotos von ihrer Einschulung.
Als Nächstes hatte Joyce das Bild ausgewählt, das Buffy auf ihrem ersten Dreirad in der Auffahrt ihres Hauses in Los Angeles zeigte, während ihr Vater neben ihr kniete, mit einer Hand am Lenker des Dreirads.
Und dann kam das Foto, wie sie nackt in der Badewanne sitzt, umgeben von Bergen aus ätherisch weißem Schaum, und ihre Gummiente so stolz in die Kamera hält, als hätte sie gerade einen Oscar gewonnen.
Dann kam eins von einer Geburtstagsparty, das einen Kuchen mit einer echten Puppe in der Mitte zeigte. Der Kuchen selbst war das Kleid der Puppe. Joyce hatte den ganzen Morgen gebraucht, um die Cremedekoration herzurichten. Und Buffy und ihre Freundinnen hatten in fünf Minuten alles zerstört.
Die Puppe hatte Buffy noch immer.
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Sie hatte zu den Dingen gehört, die sie unbedingt selbst einpacken wollte, als sie von L.A. nach Sunnydale gezogen waren. Zusammen mit ihrem Plüschschwein Mr. Gordo.
Joyce blätterte zur nächsten leeren Seite und starrte die Fotos an, die vor ihr auf dem Couchtisch lagen. Sie überlegte einen Moment und entschied sich dann für eine Aufnahme von Buffy mit ihrer Lieblingskusine Celia. Es war eins der wenigen Fotos, die sie von den beiden zusammen hatte. Celia war im Alter von acht Jahren gestorben.
Die beiden Mädchen hatten sich die Arme um die Schultern gelegt. Celia trug Jeans und ein T-Shirt. Normale Kinderkleidung. Aber Buffy trug ihr Power-Girl-Kostüm. Sie hatte sich so in diese Rolle hineingesteigert, dass sie das Kostüm gar nicht mehr ausziehen wollte.
Zum Waschen konnte ich es ihr nur ausziehen, während sie schlief, erinnerte sich Joyce.
Sie legte das Foto auf die Seite und wählte schnell ein anderes aus, das Buffy mit ihrem Vater zeigte. Buffy trug ein rosa Rüschenkleid, Strumpfhosen und weiße Lackschuhe mit passender Handtasche. Sie hatte die Lippen zu einem Lächeln verzogen, weil die Kamera auf sie gerichtet war. Aus ihren Augen sprach jedoch nur Traurigkeit.
Das war Buffys achter Geburtstag, als sie keine Party wollte, weil Celia nicht dabei sein konnte. Celia würde nie wieder eine von Buffys Partys
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