Mutter macht Geschichten
einen weiteren Schritt zu machen, aber dann – gesegnet sei der Himmel und alle irischen Heiligen – sah sie den Lichtkegel eines Autos, das sich auf der gewundenen Straße in schnellem Tempo näherte. Als es um die Ecke bog, erkannte sie das erleuchtete Schild auf dem Wagendach, drehte sich um und verkündete laut die frohe Botschaft.
»Mr. Radokov, Mr. Radokov, es ist die Polizei! Kommt sie nicht wie gerufen?«
Auch mit zwei gesunden Beinen hätte er nicht schneller aufspringen können. Er und Cucullan knurrten gleichzeitig. Elsie war nicht schnell genug, um Cucullans dritten Biß zu verhindern.
DIE ALLSEITS BELIEBTE BRAUT EINES LANDARZTES UND IHR BERÜHMTER HUND HELFEN DER POLIZEI, EINEN BERÜCHTIGTEN INTERNATIONALEN S CHWINDLER zu ENTLARVEN , meldete am nächsten Freitag das ›Dooneener Wochenblatt‹. Auf der Titelseite prangte ein großes Konterfei der Heldin mit ihrem tapferen Hund, und eine zweite Aufnahme zeigte den braven Wagen im tödlichen Zweikampf mit dem Schwindler-Auto. Fergus brachte die Zeitung drucknaß in den ›Dooneener Hof‹, wo Elsie noch arbeitete, weil sie darauf bestanden hatte, die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Er brachte ihr auch ein Hochzeitsgeschenk, ein großes, flaches Paket in braunem Packpapier, doch sie mußte ihm feierlich versprechen, es erst nach der Hochzeit zu öffnen.
»Weil das psychologisch gesehen der Augenblick ist, wo du ein neues, das heißt ein weiteres Blatt im Buch deines Lebens aufschlagen wirst, liebe Schwiegermama in spe.«
Seltsamerweise waren ihre drei Sprößlinge über diese neue Seite in ihrem Lebensbuch gar nicht sonderlich erbaut gewesen, obwohl sie ihre Mutter doch in guten Händen wußten.
»Natürlich mögen wir Owen McDermott«, beteuerten sie, »natürlich wissen wir, daß Vater dich vor allem glücklich sehen will. Und wir wollen das bestimmt nicht weniger.« Aber …
»Vergiß nie, daß wir immer für dich da sind, wenn … wenn du uns brauchen solltest.«
Owen erklärte, er habe sich schon längst damit abgefunden, in Zukunft im Schatten der Brown-Mafia zu leben. »Ich hab' dir ja gesagt«, seufzte Elsie, »daß sie überzeugt davon sind, nur sie könnten sich richtig um mich kümmern. Dabei habe ich doch nun wirklich gezeigt, daß ich sehr gut auf mich allein aufpassen kann.«
Owen hatte manchmal eine Art, sie anzusehen … mit ›diagnostischem Blick‹; so hatte Elsie diese Art im stillen getauft. Und mit eben diesem Blick betrachtete er sie auch jetzt und fragte: »Kannst du das wirklich?«
Elsie hatte beschlossen, mit ihrer Familie nach London zurückzufahren, um ihre Sachen zusammenzupacken und Frieden mit der Steuerbehörde zu schließen. Die Hochzeit sollte in Dooneen stattfinden, weil die Einwohner höchst beleidigt gewesen wären, wenn sie einen anderen Ort gewählt hätte. Die letzte gesellschaftliche Pflicht, die sie vor ihrer Abreise noch erfüllen mußte, war ein Tee-Empfang bei Miss Harriet McDermott. Owens Schwester hatte sich dazu herbeigelassen, die ganze Brownsche Familie, deren Freunde und einige ihrer vornehmen Bekannten einzuladen, um der Verlobung ihres Bruders einen offiziellen Anstrich zu geben, aber ihre eigene Einstellung hatte sich deswegen um kein Jota geändert. Sogar dem begriffsstutzigen Besucher wurde bald klar, daß die Gastgeberin nur aus einem starken Gerechtigkeitsgefühl heraus die Einladung hatte ergehen lassen, denn ohne Elsie wäre sie dem völligen finanziellen Ruin preisgegeben gewesen. Aber der Tee-Empfang blieb eine eigentümlich freudlose Angelegenheit. Fergus' offen zur Schau getragenes Amüsement über die steife Gesellschaft unterstrich nur noch die allgemein gedrückte Stimmung, gegen die alle Gäste vergeblich anzukämpfen versuchten, während sie zerbrechliche, hauchdünne Porzellantassen auf ihren Knien balancierten. Sogar den weltgewandten, umgänglichen Fräulein Bradshaw gelang es trotz aller gesellschaftlichen Routine nicht, die Unterhaltung in Gang zu halten. Cucullan hatte gleich zu Beginn den Grundton angegeben, indem er einen Teller mit Huhn, den Harriet ihm widerwillig auf den Teppich gestellt hatte, völlig ignorierte. Er lag die ganze Zeit unter Elsies Stuhl.
Elsie war erleichtert, als alles vorbei war und sie wieder mit Owen im Hotel saß. Cucullan lag zusammengerollt unter dem großen Tisch, auf dem Fergus' geheimnisvolles Paket prunkte. Elsie betrachtete traurig die großen Fotos aus dem ›Dooneener Wochenblatt‹, die die Blaneys an die Wand geheftet
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