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Mutterliebst (German Edition)

Mutterliebst (German Edition)

Titel: Mutterliebst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette van Heugten
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Outfit. Sie trägt einen schicken marineblauen Hosenanzug mit cremefarbener Bluse. Ein transparenter Schal im Paisley-Muster ist lose um ihren Hals geschlungen und wird von einer schlichten Goldnadel an seinem Platz gehalten. Ihr blondes Haar ist frisch frisiert. Die kurzen Fingernägel sind in einem hellen Beige lackiert, das hervorragend zu ihrer Handtasche passt. Marianne wirkt in ihrer Weiblichkeit unglaublich souverän und gelassen. Danielle blickt auf ihren eigenen Hosenanzug. Ist eigentlich alles, was sie besitzt, schwarz?
    Sie unterhalten sich über die Behinderungen und psychischen Störungen ihrer Söhne, über ihre Medikation und über Maitland. Danielle erfährt, dass Jonas an einer tief greifenden Entwicklungsverzögerung (PDD) und einer Aufsässigkeits-Trotz-Störung (ODD) leidet und dass er extrem autistisch ist. Die Aussicht, voreilig private Informationen über Max preisgeben zu sollen – ein wahres Gräuel für jede New Yorkerin – führt dazu, dass Danielle kaum etwas sagt. Sie gibt zwar zu, dass Max Asperger hat, verrät aber nicht, dass Reyes-Moreno ihr Möglichstes getan hat, um sie davon zu überzeugen, nach New York zurückzukehren, bis die medizinische Beurteilung abgeschlossen ist. Die Ärztin beruft sich auf den erforderlichen „Prozess“ – Beobachtung, Übertragung, Medikation, Überprüfung – was scheinbar alles nicht effektiv vonstattengehen kann, solange Danielle zugegen ist. Man drängt sie inständig, ihren Entschluss, während dieser Phase anwesend zu sein, zu überdenken. Danielle lächelt dazu immer nur höflich, hegt insgeheim jedoch keineswegs die Absicht, abzureisen.
    Während Marianne sich weiterhin in ihrer Litanei medizinischer Details ergeht, die nur Mütter solcher Kinder halbwegs interessant finden, schnappt Danielle etwas auf, was ihre Aufmerksamkeit weckt. „Was hast du gesagt?“
    Marianne schlägt eine rote Serviette auseinander und breitet sie auf ihrem Schoß aus. „Ich habe von einem neuen Medikament gesprochen, das dieser Überflieger von einem Psychopharmakologen namens Dr. Fastow Jonas verschrieben hat. Ich verspreche mir wirklich viel davon, selbst wenn die potenziellen Nebenwirkungen gravierend sind.“
    „Was für Nebenwirkungen?“
    Marianne zuckt die Schultern. „Leberschädigungen, Herzprobleme, motorische Störungen.“
    Danielle ist besorgt. Längere Einnahme bestimmter Antipsychotika – selbst der neuesten Produkte – kann zu dauerhaften körperlichen Problemen führen, wie zum Beispiel irreversibler Steifheit der Extremitäten. Danielle stellt sich Max mit permanent herausgestreckter Zunge vor wie bei einem absurden Hohngelächter oder mit einem Arm, der im merkwürdigen Winkel zu seinem Körper absteht. „Hast du denn überhaupt keine Angst?“
    Marianne lässt ihren Finger zu den Hauptspeisen auf der Karte hinuntergleiten. „Nicht wirklich. Wenn man diesen Level erreicht hat, ist es wichtig, Risiken einzugehen.“
    Danielle ist sich nicht sicher, was sie damit meint. Vielleicht befindet sich Max nicht auf demselben Level – welcher auch immer das ist.
    „Nun sag schon“, fährt Marianne fort. „Ist Max jemals gewalttätig gewesen? Ich weiß, dass das ein Problem bei vielen unserer Jungs ist.“
    Danielle spürt, wie sie rot wird. „Nein, nicht wirklich. Nur ein paar kleinere Vorkommnisse an der Schule.“ Und die Schläge auf ihre Arme.
    Marianne drückt Danielles Hand. „Ist schon okay. Jonas ist auch gewalttätig, nur dass er zumeist sich selbst Schmerzen zufügt. Du weißt schon, er zerkratzt sich die Arme, beißt sich in die Fingerknöchel – manische Verhaltenszüge.“ Sie zuckt die Schultern. „Jonas hat seit seiner Geburt derart ernstzunehmende Probleme gehabt, dass es schon an ein Wunder grenzt, überhaupt so weit gekommen zu sein. Als Säugling war er zyanotisch – er ist immer blau angelaufen, weißt du. Ich musste Tag und Nacht neben ihm schlafen. In dem einen Augenblick ist noch alles in Ordnung, und im nächsten hat er plötzlich ein violettes Gesicht und ist so kalt wie Eis. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Nächte ich in der Notaufnahme verbracht habe.“ Sie schaut auf. „Das ist nicht unbedingt ein geeignetes Thema für eine Unterhaltung bei Tisch – tut mir leid.“
    „Nein, nein, das muss es nicht. Wie oft kannst du ihn besuchen? Ich darf immer nur kurz morgens und nachmittags zu Max.“
    Mariannes Augen weiten sich. „Du machst Witze, oder?“
    Danielle runzelt die Stirn. „Nein, Max’

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