Mutterliebst (German Edition)
Psychopharmakologe“, erklärt Reyes-Moreno. „Er ist gerade aus Wien zurückgekehrt, wo er die letzten zwei Jahre damit verbracht hat, eine vielversprechende klinische Studie zu verschiedenen psychotropischen Medikamenten durchzuführen. Wir sind sehr stolz, ihn für uns gewonnen zu haben.“
Danielle ergreift die Hand, die er ihr entgegenstreckt. Sie ist kalt und trocken. „Dr. Fastow, haben Sie vor, Max’ Medikamentenplan erheblich zu verändern?“
Seine grauen Augen wirken beinahe durchscheinend. „Ich habe mir Max’ Patientenakte angesehen und umfangreiche Blutuntersuchungen angeordnet. Ich habe vor, seine jetzigen Medikamente zu streichen und sie durch solche zu ersetzen, die ihm meiner Ansicht nach wesentlich besser helfen werden.“
„Was für Medikamente sind das?“
„Diese Informationen werden wir Ihnen geben, sobald wir besser mit Max und seinen Symptomen vertraut sind.“ Er schenkt ihr einen weiteren kühlen Blick und wendet sich dann zum Gehen.
Von seinem barschen Verhalten abgeschreckt, wendet sich Danielle an Reyes-Moreno, die beruhigend nickt. „Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden uns gut um ihn kümmern.“ Danielle verfällt in Panik, als sie sieht, wie Reyes-Moreno durch die verhängnisvollen Türen von Alcatraz verschwindet. Nur die nicht zu leugnende Wahrheit – dass Max sich umbringen will – hält sie davon ab, durch diese Türen zu stürmen und mit ihm zurück nach New York zu flüchten. Sie holt tief Luft. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als zum Hotel zurückzukehren und zu arbeiten. Sie wendet sich zum Gehen.
„Wer sind Sie?“ Ein muskulöses Mädchen mit dicken, fettigen Haaren steht mit geballten Fäusten vor ihr.
Danielle versucht, an ihr vorbeizugehen, doch das Mädchen versperrt ihr den Weg wie ein massiver Innenverteidiger. „Ich bin … eine Mutter.“
„Ich bin Naomi.“ Sie verengt die Augen wie ein Vogel, dessen Nest in Gefahr ist. „Sind Sie die Mom von diesem neuen Jungen?“
„Ja.“
„Er ist ein richtiger Rotzbengel. Das sehe ich auf den ersten Blick.“ Sie schiebt die Hüften vor und zurück und feixt dabei. „Er sollte mir besser aus dem Weg gehen, das ist alles. Ich bin gefährlich.“
Danielle blinzelt, sie steht da wie angewurzelt. „Was meinst du …“
„Ich schneide Leute.“
„Was?“
Naomi wickelt sich eine ölige Haarsträhne um den Finger und enthüllt dabei eine wulstige Narbe am Hals, die ungefähr so groß ist wie eine fette Raupe. „Ich übe an mir selbst.“ Sie lässt die schmierige Strähne an ihren Platz zurückfallen. Schwarze Schmutzflecke unter ihren Augen sehen wie heftige Blutergüsse aus und bilden einen merkwürdigen Kontrast zu ihren hellen Augen und der grauen Haut. Danielle hegt nur einen Gedanken. Dieser Dämon wird jeden Tag mit Max zusammen sein.
„Grenzen, Naomi.“ Es ist der riesenhafte Dwayne. Er schiebt sich zwischen Danielle und Naomi und zeigt mit einem langen Finger den Gang hinunter. „Beweg dich.“
„Yeah, schon gut, Duhwayne.“ Ihre Augen glitzern wie die eines Waschbären in der Dunkelheit. „Warum bewegst du dein beschissenes Gesicht nicht aus meinen Grenzen heraus, okay?“
„Geh in dein Zimmer. Du weißt ja, wie’s läuft.“ Dwayne verfügt über die härteste sanfte Stimme, die Danielle je gehört hat.
„Fick dich.“
„Eine Stunde. Ganz allein.“
Naomi schleicht den Gang hinunter.
Dwayne dreht sich mit einem breiten Grinsen zu Danielle um. „Willkommen in Fountainview, Mom.“
4. KAPITEL
Danielle verbringt einen anstrengenden Morgen in der Klinik, an dem sie Reyes-Moreno die gesamte Lebensgeschichte ihres Sohnes erzählt. Das erschöpft sie derart, dass sie zum Hotel zurückkehrt, ihre Kleider auszieht und zwischen die billigen Laken schlüpft – wie eine Nutte in ihrer Mittagspause. Marianne, die in demselben Hotel wohnt, hat sie vor zwanzig Minuten geweckt und aufgescheucht, um mit ihr ins Olive Garden auf der Hauptstraße zu fahren.
Danielle nimmt auf der Kunstlederbank Platz, die laut quietscht. Der Olive Garden ist vielleicht das einzige Restaurant in Plano, das Wein serviert, der auch über einen Namen verfügt und nicht nur unter Rot oder Weiß gelistet ist. Zu ihrer Erleichterung stellt Danielle fest, dass es richtige Messer und Gabeln gibt – nicht das Plastikbesteck aus Maitland, das Selbstmordversuche verhindern soll. Die Kellnerin nimmt ihre Getränkebestellung auf und verschwindet dann.
Danielle wirft einen raschen Seitenblick auf Mariannes
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