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Mutterliebst (German Edition)

Mutterliebst (German Edition)

Titel: Mutterliebst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette van Heugten
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ist das einzige Refugium, in dem sie so tun können, als wäre alles normal. Danielle schließt für einen Moment ihren Laptop. Sie hätte schon längst einen Bericht an E. Bartlett Monahan schicken müssen, einen der Seniorpartner ihrer Anwaltskanzlei und ihre persönliche Nemesis. Er ist der Leiter der Zivilrechtsabteilung und Mitglied des Management-Teams – eines der fünf Machtzentren, die alle anderen beherrschen. „König Scheißkerl“, wie er von den Mitarbeitern genannt wird, ist achtundvierzig, Junggeselle und ein Frauenhasser. E. Bartlett – er besteht darauf, so angesprochen zu werden – ist der Ansicht, dass Frauen nicht die Eier haben, um erfolgreiche Prozessanwälte zu sein und schon gar nicht Partner der Firma. Frauen sind entweder Sekretärinnen, Mütter oder Ehefrauen und – wenn das Bedürfnis besteht – Bettgespielinnen, deren man sich nach Lust und Laune entledigen kann.
    Ihre Abwesenheit hat er nicht besonders gut aufgenommen – nicht, dass sie auch nur einen Funken Verständnis von ihm erwartet hätte. Er verfügt über keinerlei Erfahrung mit Kindern, und er hat ganz sicher nicht den blassesten Schimmer, welche Bedürfnisse Kinder mit psychischen Störungen haben.
    Sie reibt sich die Augen und überblickt die Szenerie. Marianne sitzt ihr gegenüber und scheint etwas Kompliziertes zu stricken, während Jonas ein Wollknäuel in Händen hält, das er regelmäßig hochwirft und wieder auffängt. Er murmelt unablässig vor sich hin und schüttelt den Kopf auf diese merkwürdige, rhythmische Weise, die Danielle mittlerweile als seinen Versuch, zu kommunizieren, erkennt. Marianne, die in einen makellosen weißen Hosenanzug mit Seidenschal gekleidet ist, scheint von Jonas’ Bemühungen nichts zu bemerken. Sie sitzt ruhig da und strickt. Danielle ist häuslichen Dingen immer aus dem Weg gegangen. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Karrierefrauen es sich nicht erlauben können, als schwach oder zu weiblich wahrgenommen zu werden – zumindest nicht, wenn sie Prozessanwältin sind. Danielle selbst hat auf solche Frauen immer herabgeblickt, denn ihre Stellung kam ihr stets minderwertig vor. Während sie jetzt Marianne und Jonas beobachtet, deren Liebe und Hingabe ganz offensichtlich ist, errötet sie und bereut.
    Sie kann ganz sicher nicht von sich behaupten, die beste Mutter der Welt gewesen zu sein – nicht, wenn Marianne der Maßstab ist. Im Gegensatz zu ihr hat Danielle nie auch nur in Erwägung gezogen, ihre Karriere aufzugeben, um sich ausschließlich um Max kümmern zu können. Sie hätte ohnehin nicht die Möglichkeit dazu gehabt, denn irgendwoher musste das Geld ja kommen. Dennoch. Sie dreht sich um und nimmt den Anblick von Max in sich auf. Furchtbar blass ist er, während er so ausgestreckt auf dem Sofa liegt und fest schläft. Jeder Außenstehende würde vermutlich nur die Distanz wahrnehmen, die zwischen ihnen besteht. Ihn so zu erleben, schneidet ihr ins Herz und öffnet der Panik Tür und Tor, die sie seit jenem Moment verspürt, als sie hier angekommen sind. Was stimmt nur nicht mit meinem Kind?
    Ihr Handy vibriert. In Maitland sind Mobiltelefone verboten – vermutlich damit die Schizophrenen nicht glauben, dass sie mit Gott telefonieren, denkt sie. Seufzend sammelt sie Handy, Laptop und Handtasche ein und verlässt die Station. Draußen setzt sie sich auf eine weiße Betonbank, die so weit entfernt steht, dass Max sie nicht durch das Fenster sehen kann. Sie nimmt eine Zigarette aus der Schachtel, zündet sie an, inhaliert tief und berührt die diversen Apple-Icons, um die eingegangen Telefonate abzurufen. Mist. E. Bartletts Sekretärin. Noch einmal berührt sie den Bildschirm. Eine nasale Stimme verkündet, dass ihr Bericht spätestens morgen früh erwartet wird. Sie stöhnt. Das bedeutet eine weitere lange Nacht im Hotel mit unzähligen Bechern Kaffee.
    Es ist ein wunderschöner Tag mit strahlendem Sonnenschein und tiefblauem Himmel. Danielle entspannt sich und genießt die Wärme, die sich wie eine goldene Decke über sie ausbreitet. Widerwillig zieht sie zum letzten Mal an der Zigarette. Gleich muss sie in an diesen sterilen, unnatürlichen Ort zurückkehren. Es ist die reinste Quälerei, nur dazusitzen und nichts tun zu können. Seufzend macht sie sich auf den Weg zurück zur Station. Eine der jungen Krankenschwestern lässt sie herein. Während sie den Korridor zum Familienzimmer entlanggeht, dringen ihr laute Schreie und heftiges Schluchzen entgegen. Mit pochendem Herzen

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