Mutterliebst (German Edition)
Psychiaterin behauptet, dass alles andere seine Beurteilung stört.“
„Nun, Dr. Hauptmann erlaubt mir uneingeschränkten Zugang.“
„Dr. Hauptmann?“
„Du hast ihn gestern mit mir zusammen gesehen.“ Marianne schaut sie überrascht an. „Er ist der führende Jugendpsychiater des Landes. Ich bin sicher, du hast Nachforschungen zu allen Ärzten hier angestellt, genauso wie ich.“ Marianne nimmt lächelnd ein Glas Weißwein von der Kellnerin entgegen. „Dr. Hauptmann und ich stehen schon seit einiger Zeit in Kontakt, und er befürwortet, dass ich eine aktive Rolle in der Beurteilung spiele.“ Wieder zuckt sie die Achseln. „Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass ich selbst Ärztin bin. Wir reden über Dinge, die er nicht mit jedem Elternteil diskutieren kann. Wenn es nach dem Krankenhauspersonal ginge – vor allem dieser Schwester Kreng – würde ich Jonas nie zu Gesicht bekommen.“
Danielle spürt die Wirkung des Weins. Sie setzt sich zurück, entspannt sich. „Woher kommst du, Marianne?“
„Ich wurde in einer Kleinstadt in Texas geboren. Mein Vater war Rancher.“ Marianne lacht, als sie Danielles hochgezogene Augenbrauen bemerkt. „Er sagte immer, ich wäre wie seine Rinder. Frühreif, gutes Schlachtmaterial und festes Fleisch. Damit ich nicht mit einem der Harper-Jungs im Heuhaufen endete, hat er mich auf die Universität von Texas geschickt. Nach meinem Abschluss habe ich mich an der medizinischen Fakultät beworben und bin angenommen worden.“
„Wo?“ Danielle kann es nicht lassen. Eine gute Ausbildung bedeutet ihr viel.
„Johns Hopkins.“
„Das ist beeindruckend.“
Marianne wirft ihr einen amüsierten Blick zu. „Auch Südstaatenfrauen haben Grips, weißt du.“
Danielle errötet. „Was ist eigentlich aus deinem Wunsch, Ärztin zu werden, geworden?“
„Ein Monat bevor Jonas zur Welt kam, erlitt mein Mann Raymond einen massiven Herzinfarkt und starb.“
Danielle ergreift ihre Hand. „Wie schrecklich für dich.“
Marianne erwidert den Händedruck. „Danke. Es war wirklich hart, aber ich hatte Jonas. Er war der reine Segen.“ Danielle nickt, kann sich jedoch den Gedanken nicht verkneifen, wie gesegnet sie sich wohl gefühlt hätte, wenn ihr Mann unmittelbar bevor sie ein solch behindertes Kind zur Welt bringt, gestorben wäre.
„Als mir klar wurde“, fährt sie fort, „wie schwierig es mit Jonas werden würde, wusste ich sofort, dass ich meinen Traum, Ärztin zu werden, aufgeben musste. Diesen Weg hätte ich nicht rechtfertigen können. Nicht, wenn es bedeutet hätte, meinen Sohn der Obhut eines Fremden zu überlassen – egal wie qualifiziert der auch sein mochte.“ Sie lächelt die Kellnerin an, die gerade die Vorspeisen serviert. Nachdem sie gegangen ist, wirft Marianne Danielle einen Blick aus ihren wundervollen blauen Augen zu. „Deshalb habe ich Teilzeitjobs als Kinderkrankenschwester angenommen. Es war zwar nicht einfach, aber es ermöglichte mir die Flexibilität, die ich brauche.“
Danielle sucht nach etwas Sinnvollem, was sie darauf erwidern kann. Ihr Respekt für Marianne ist angesichts dieser schlichten Geschichte von Selbstaufopferung und Liebe immens gewachsen. Sie selbst verspürt ein schlechtes Gewissen. Ob Max all diese Probleme auch dann hätte, wenn sie zu Hause geblieben wäre? Sie schaut Marianne an. Egal welche Schwierigkeiten sie auch mit Max hat – im Vergleich zum Schicksal dieser armen Frau sind sie Kinkerlitzchen.
Ihre Bestürzung muss sich auf ihrem Gesicht abgezeichnet haben, denn nun ist es Marianne, die Danielles Hand tätschelt. „Es ist nicht so schlimm. Wir alle haben unsere Bürden und Freuden.“
„Ich möchte nur, dass du weißt, wie sehr ich dich bewundere“, sagt Danielle leise. „Du wirkst so stark und – ausgeglichen.“
„Du bist stärker, als du glaubst.“ Marianne schenkt ihr ein strahlendes Lächeln. „Und wir werden großartige Freundinnen werden – das weiß ich jetzt schon.“
Danielle erwidert das Lächeln. Vielleicht hat Marianne recht. Vielleicht braucht sie eine Freundin.
5. KAPITEL
Danielle schaut auf. Marianne fängt ihren Blick ein und lächelt. Sie sitzen in einträchtigem Schweigen in einem abgeschiedenen Bereich der Fountainview-Station, der sich „Familienzimmer“ nennt – Danielle hat noch nie eine größere Fehlbezeichnung gehört. Dennoch ist es der einzige Ort, an dem sie halbwegs ungestört und nicht dem täglichen Hin und Her von Schwestern und Patienten ausgesetzt sind. Es
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