Mutterliebst (German Edition)
und verwirrt hoch. Kreng befreit sie aus Danielles Umarmung und schüttelt sie leicht an den Schultern. „Wir müssen ihn in die Notaufnahme bringen, Mrs Morrison.“ Marianne starrt sie verständnislos an. Kreng hebt die Stimme, so als wäre Marianne taub. „Er muss genäht werden. Machen Sie sich keine Sorgen. Der Krankenwagen ist schon auf dem Weg.“
Jetzt scheint Marianne allmählich zu sich zu kommen. „Sind Sie sicher? Kann ich ihn begleiten?“
Kreng schüttelt den Kopf. „Es ist besser, wenn Sie hier warten. Sie müssen sich sammeln, damit Sie ihn trösten können, wenn er zurückkommt.“ Ihr Kopf schnellt herum, und sie blickt Danielle an. „Vielleicht können Sie mit Mrs Morrison darüber reden, wer die Kosten für die Notaufnahme übernimmt.“
Danielle holt zitternd Luft. „Aber Schwester Kreng, was ist mit Max? Geht es ihm gut?“
Die Schwester wirbelt so heftig auf dem Absatz herum, dass ein lautes Quietschen entsteht. Ihr Blick ist mörderisch. „Natürlich. Er ist der Angreifer – nicht das Opfer. “ Sie geht zu einem weißen Schrank hinüber und öffnet ihn mit einem von etwa zwanzig Schlüsseln, die von dem Metallring an ihrem Gürtel baumeln.
„Aber kann ich nicht …“, stammelt Danielle.
„Nein, können Sie nicht“, unterbricht Kreng sie scharf. Rasch entnimmt sie dem Schrank ein kleines braunes Fläschchen mit irgendeiner ominösen Flüssigkeit. Dann greift sie nach einer Plastiktüte und reißt sie auf. Danielle beobachtet entsetzt, wie Kreng eine Spritze herausnimmt und hochhält, so als wolle sie sichergehen, dass die Nadel auch ja lang genug ist.
Danielles Augen weiten sich vor Schreck. „Was tun Sie da?“
Kreng ignoriert sie. Ungerührt steckt sie die Nadel in den Gummiverschluss der Flasche. Als sie fertig ist, hält sie die Spritze erneut hoch, tippt sie mit dem Fingernagel an und begutachtet sie. Erst danach dreht sie sich zu Danielle um. Ihre Worte sind kurz und knapp. „Ich verabreiche Ihrem Sohn ein Beruhigungsmittel, Miss Parkman. Er ist völlig außer Kontrolle geraten, weshalb ich sicherstellen muss, dass er keine weiteren Patienten auf der Station gefährdet. Er wird so lange auf seinem Zimmer bleiben müssen, bis er zu meiner Zufriedenheit bewiesen hat, dass er zu zivilisiertem Verhalten fähig ist. Auf jeden Fall darf er nicht mehr ohne Überwachung durch das Personal in die Gemeinschaftsräume.“ Ihre Augen funkeln so bösartig wie die einer Schlange, die zum Todesstoß ansetzt. Ihre weißen Absätze klacken laut auf dem Fußboden, als sie sich umdreht und geht.
Danielle ist der Verzweiflung nahe. Was ist mit Max geschehen? Ist er wirklich so gewalttätig geworden, dass er so etwas tun würde? Sie kann es nicht glauben, doch es lässt sich offensichtlich nicht leugnen, dass er den armen Jonas angegriffen hat. Marianne weint jetzt ganz ruhig und leise, eiskalte Tränen kullern über ihre Wangen. Sie hebt den Kopf und wirft Danielle einen flehentlichen Blick zu. „Oh, Gott, Danielle, du musst mir helfen. Versprich mir, dass du deinen Jungen von Jonas fernhältst.“ Sie starrt auf das Blut an ihren zitternden Händen. „Das ist ein Albtraum.“
Danielle drängt Marianne sanft auf die Couch hinunter, weit weg von der Stelle, an der Jonas gestürzt ist und sein Blut eine dunkle Lache auf den kalten weißen Fliesen hinterlassen hat. Sie bemüht sich sehr, ihrer Stimme nichts von der Angst und dem Entsetzen anmerken zu lassen, die sie empfindet. „Marianne, erzähl mir, was passiert ist.“
Marianne nickt und holt tief Luft. „Wir haben einfach hier gesessen. Ich nehme an, ich war durch meine Strickerei abgelenkt, denn ich habe nicht bemerkt, wie Jonas zu Max hinübergegangen ist. Er hat nur versucht, ihn zu umarmen, Danielle – ich habe es mit eigenen Augen gesehen!“
„Was hat Max getan?“
Marianne ringt die Hände im Schoß. Gequält blickt sie zu Danielle auf. „Er hat ihn geschlagen. Zuerst hat er ihn gegen den Couchtisch gestoßen, und dann hat er ihn geschlagen.“ Sie deutet auf den niedrigen Wohnzimmertisch, der nun in einem merkwürdigen Winkel zum Sofa steht. „Siehst du das? Siehst du Jonas’ Blut? Er ist mit dem Kopf auf die Kante geschlagen.“
Danielle zuckt zurück. Sie kann es immer noch nicht glauben. Sie kennt Max. Nie zuvor hat er einem anderen Menschen etwas zuleide getan. Ihr Herz sinkt. Nun gut, es gab ein paar Vorfälle an der Schule, aber das waren nur Hormonschübe. Als Danielle sich nach vorn beugt, um die
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