Mutterliebst (German Edition)
gestern.“
Danielle kann nicht widersprechen, deshalb tut sie das, womit sie sich normalerweise in solchen Situationen behilft. Sie beschönigt. „Du bist anders als diese Kids, Sweetie“, sagt sie sanft. „Alles, was sie hier tun, ist deine Medikation richtig einzustellen und deiner … Depression auf den Grund zu gehen.“
Max senkt den Kopf wie ein Kalb, dem man vorgeheuchelt hat, dass es nicht geschlachtet wird. „Sicher.“
Danielle kann nur daran denken, wie schrecklich es für ihn sein muss, all diese furchtbar verstörten Kinder zu sehen und sich zu fragen, ob – oder wann – ihm jemand sagen wird, wie verkorkst er selbst ist. Sie streckt eine Hand aus, Handfläche nach oben, ihr geheimes Zeichen der Solidarität. Er legt seine Hand hinein und verschränkt seine Finger mit ihren. Mittlerweile ist seine Hand fast größer als ihre.
„Mom?“
Sie holt tief Luft. „Ja, Schatz?“
Seine grünen Augen bohren sich direkt in ihre. „Was tun wir, wenn sie sagen, dass ich wirklich verrückt bin?“ Er wendet sich rasch ab, so als könnte er es nicht ertragen, die Frage laut ausgesprochen zu hören und noch weniger die Antwort. Danielle schließt ihn in die Arme und drückt ihn fest an sich. Sein dünner Körper zittert wie eine Maus in der Falle. Rasch drückt sie ihn noch fester.
Sie hat keine Antwort.
7. KAPITEL
Danielle gelingt es, dem Barkeeper einen Zwanzig-Dollar-Schein zuzustecken und nach dem eisgekühlten doppelten Wodka zu greifen, den er vor ihr abstellt. Zu mehr ist sie weder körperlich noch emotional in der Lage. Max’ Schmerz und Angst an diesem Nachmittag mitzuerleben war mehr, als sie ertragen kann. Nachdem sie in die Station zurückgekehrt waren, überließ Danielle ihren Sohn der Obhut einer putzmunteren Reyes-Moreno, die ihn sogleich zu diversen Tests mitnahm. Der Blick, den Max ihr noch schnell zuwarf, ehe er um die Ecke verschwand, war wie ein weiterer Messerstich mitten ins Herz.
Sie nimmt einen großen Schluck ihres Drinks. Er ist so kalt, dass sie leicht zusammenzuckt, doch der Alkohol hat eine wohltuende Wirkung auf ihren Körper. Sie entspannt sich so weit, dass sie ihre Umgebung genauer in Augenschein nehmen kann. Plano ist ein Kuhdorf und das Hotel entsprechend bescheiden, aber die Bar sticht heraus. Glitzernde Kronleuchter tauchen den Raum in ein sanftes Licht, während leise Pianomusik aus den versteckten Lautsprechern dringt. Der dicke, flauschige Teppich verschluckt das Gemurmel der Gäste, die an niedrigen Glastischen sitzen und sich in kleinen Grüppchen unterhalten. Danielle trinkt zügig, bis das Glas leer ist. Dann hält sie es hoch, sodass die Eiswürfel darin klimpern. Der Barkeeper fängt ihren Blick auf und nickt. Gerade als er ein frisches Glas desselben Inhalts über das polierte Holz der Bar schiebt, berührt jemand ihren Ellbogen.
„Entschuldigen Sie bitte.“
Danielle dreht sich um. Ein Mann steht vor ihr, der bestimmt so um die ein Meter neunzig groß ist. Sie schätzt ihn auf Anfang fünfzig. An den Schläfen sind seine Haare weiß, was durchaus attraktiv aussieht. In dem gestärkten weißen Hemd, der Designerkrawatte und dem Maßanzug wirkt er wie der Inbegriff des erfolgreichen Geschäftsmannes. Nur die sanften braunen Augen verhindern, dass Danielle ihn auf ihre übliche, knappe Art abfertigt. „Ja?“
„Ich weiß, dass das ein schlechtes Klischee ist, aber darf ich Sie auf einen Drink einladen?“ Seine Stimme klingt tief und sonor. „Ich verspreche Ihnen – wenn Sie keine Gesellschaft wünschen, dann sagen Sie es einfach, und ich setze mich in eine Ecke und ertränke meinen sprichwörtlichen Kummer.“
Danielle schaut ihn lange an. Sie hat dieselbe Wahl wie er. Sie kann entweder hier sitzen und unaufhörlich damit hadern, wie schrecklich ihr Leben ist, oder sie kann sich mit jemandem unterhalten und versuchen, alle Gedanken an Max für ein paar Minuten zu vergessen. Urplötzlich bemerkt sie, dass das schwarze Kleid, das sie nach der Dusche übergestreift hat, eng an ihrem Körper anliegt. Sie zwingt sich zu einem kleinen Lächeln. „Ein Drink – und dann zurück in Ihre Ecke.“
Das Lächeln, das er ihr schenkt, wirkt echt. Er nimmt auf dem Barhocker neben ihr Platz und winkt dem Barkeeper. „Ich nehme dasselbe wie die Dame. Wenn ihr Glas leer ist, bringen Sie ihr ein neues.“
„Das ist bereits mein zweites Glas.“
Er dreht sich um und richtet den Blick seiner faszinierenden braunen Augen auf sie. „Dann muss ich mich
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