Mutterschuldgefuehl
wirken so viel selbstsicherer, zielstrebiger und entschlossener als ich.
Manchmal reicht es in einer miesen Stimmung, eine andere Mutter zufrieden mit ihrem Kind auf dem Spielplatz sitzen zu sehen, um mich schlecht zu fühlen. Ich schätze es nicht besonders, wenn eine andere Mutter es anders macht als ich, vor allem nicht, wenn sie es irgendwie besser zu machen scheint. Das hat einerseits mit dem Wunsch zu tun, Gleiche unter Gleichen zu sein, andererseits mit meinem Bestreben, einzigartig sein zu wollen. Einzigartig schlecht zu sein, war eigentlich nicht meine Absicht. Geht es mir gerade schlecht und einer anderen Mutter so richtig gut, fühle ich mich ganz schnell ganz klein. Und da können harmlos gemeinte Bemerkungen anderer Mütter in meinem frustrierten Mutterohr überraschend heftig zu bösen Vorwürfen mutieren:
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»Na, sie SCHREIT aber VIEL!«
»Was? Du bringst dein Kind um 10 Uhr ins Bett? Ist dir das nicht ZU SPÃT?«,
»Ich KOCHE unseren Brei immer SELBST. Man weià ja nie, was in den Gläsern ist.«
Es ist wirklich schwer zu sagen, wie Sticheleien zwischen Müttern beginnen - ist die eine unbefangen in ihren Bemerkungen und die andere einfach überempfindlich? Oder will mich da tatsächlich eine ärgern? Es ist Vorsicht geboten vor voreiligen Schlüssen und ausgeprägtem Selbstmitleid, denn die Deutschen sind an sich kein Volk, das zu Lob und positivem Denken neigt. In Deutschland ist es die Kritik, die weiterbringen soll, der Fokus auf den Mangel - und nicht das ausufernde Lob. Das Glas ist halb leer und nicht halb voll, und jeder, der etwas anderes behauptet, ist ein armer Optimist. Manche Mutter fühlt sich ganz zu Unrecht bestraft. Vielleicht ist die Dame gar nicht missgünstig, sondern nur einfach typisch deutsch zurückhaltend, besserwisserisch oder freut sich auch nicht an ihrem eigenen Kind. Wie soll sie sich dann mit anderen freuen?
Das ist vielleicht das wahrhaft Aufregende unter deutschen Müttern. Die verkannte Würze im Kinder-Mütter-Alltag: Man weià nie, woran man ist. Es bleibt immer etwas aufregend. Ressentiments zwischen Müttern laufen meist sehr subtil ab. Es sind Nadelspitzen, kleine, feine Pfeile, die verschossen werden, und damit ist es wohl auch wie in vielen Arbeitstreffen: Antipathien, Neid und Konkurrenzgefühle werden unter der Oberfläche, indirekt ausgetragen. Es gilt, sich keine BlöÃe zu geben und sich nicht angreifbar zu machen. Wichtig ist, die Gegnerin im Unklaren zu lassen. Hat sie mich nun ärgern wollen oder bin ich einfach nur verweichlicht? Dazu eignen sich sehr schön bedeutsames Schweigen oder unerbetene Informationen, zum Beispiel »Mein Harry kann schon laufen«, wohl wissend, dass es Lisbeth noch nicht kann, oder intensives Nachfragen zum Entwicklungszustand des Kindes, als Sorge getarnt:
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»Kann er immer noch nicht laufen? Mach dir keine Sorgen, das wächst sich bestimmt irgendwann aus. Hat er denn andere Talente?«
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Die Informationen und Bemerkungen müssen so geschickt platziert werden, dass frau im Notfall alles treuherzig abstreiten
kann. Das ist wichtig, da sie sonst Gefahr läuft, für ihr ungebührliches Verhalten von der Gruppe ausgegrenzt zu werden. Und wo sollte sie dann noch hin?
Dabei wäre es so einfach, sich gegenseitig zu bestärken. Hey, ihr Gruppenleiterinnen! Wie wäre es denn mit Lobrunden, die wir in deutschen Mutter-Kind-Gruppen einführen? Vielleicht können wir so etwas üben. Wir richten das Augenmerk auf das Gelungene und das Gute unter uns und bauen uns gegenseitig auf. Damit wir das psychologische Umfeld bekommen, in dem wir uns als Mütter ausprobieren und unsere Fähigkeiten erkunden können, anstatt irgendwelchen weltfremden Richtlinien nachzueifern. Vielleicht merken wir dann, wie stark wir sind und dass nicht nur ein besonnener Mutter-Coach das Gelbe vom Ei ist. Vielleicht entsteht dann so etwas wie Vertrauen, Gruppengefühl und Toleranz unter Müttern. Es geht ja nicht darum, uns schönzureden. Es geht darum, die Ansprüche mal etwas herunterzuschrauben. Und nebenbei wird unser Nachwuchs auf gelungene Motivation eingeschworen für Arbeitstreffen jeder Art künftiger Generationen. Das wäre doch mal was.
Leider ist es noch nicht so weit und ich will bald keine Hilfsnetzwerke mit anderen Müttern mehr gründen und mich mit ihnen austauschen, so wie ich es vor der
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