Mutterschuldgefuehl
Schwangerschaft geplant hatte, denn mir schwant dunkel, dass wir uns herzlich wenig bestärken würden, sondern uns eher gegenseitig runterziehen würden. Wir haben ja alle kaum Kraft, uns selbst über Wasser zu halten.
Die Stärkung des Selbstbewusstseins scheint eher anders herum zu funktionieren: Wir Mütter werden guter Dinge, wenn wir andere Mütter bekritteln können. Es tut doch gut, nicht immer die Erste in der Nahrungskette zu sein, die gefressen wird, sondern ein paar andere hübsch vor mir über die Klinge springen zu lassen.
Wir beherrschen sie alle, diese Taktik zur Rettung unseres Rest Seelenfriedens: Wir treffen uns mit Müttern, die ihr Kind ähnlich pflegen und erziehen wie wir (dann fühlen wir uns wenigstens in der Wahl unserer Herangehensweise bestärkt, wenn schon nicht in der Ausführung derselben), und dann
tun wir so, als wüssten wir am besten, was gut für Kinder ist. Und dann wundern wir uns gemeinsam über die Pflege und Erziehung der anderen. Und dann fühlen wir uns gut.
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»Hast du gesehen, wie sie mit ihrem Kind umgeht? Das würde ich nie machen. Das ist doch wirklich seltsam!«
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Es spielt keine Rolle, ob uns Frauen in diesen Momenten irgendetwas anderes verbindet als ein kleines gemeinsames Stück Kindererziehung. Was zählt, ist dieses bisschen Sicherheit und Entspannung. Wir wollen auch mal das Gefühl haben, es richtig zu machen. Der Druck ist so hoch. Und je höher der Druck, desto unerbittlicher sind wir mit anderen.
Es ist immer wieder verblüffend, wie wir bei aller Verunsicherung, die uns bei unseren eigenen Kindern von Zeit zu Zeit überfällt, für Kinder anderer Mütter immer ganz genau sagen können, was richtig für sie wäre. Damit wir uns recht verstehen - es geht nicht nur um groÃe grundsätzliche Belange, die diskutiert werden - ob Kinder gedemütigt, vernachlässigt, missbraucht oder geschlagen werden -, sondern es geht um die vielen kleinen Details, die den Alltag von Mutter und Kind ausmachen. Es geht um die kleinen Mosaiksteine, die das Bild der perfekten Mutter zusammensetzen.
Da ist zum Beispiel die ausländische Mitbürgerin, die ihr Kind zweisprachig erzieht, und das in einer Gruppe, in der ansonsten nur Deutsch gesprochen wird. Sie hat es nicht einfach. Ihr werden gerne mal diverse Theorien aus Ratgeberbüchern unterbreitet, was das Beste für ihr Kind sei, und das, was sie mache, wäre es ganz sicher nicht.
Da ist die Mutter, die ihr Kind um Mitternacht zu Bett legt. Sie kann sich freuen: Auch das wird diskutiert. Ein deutsches Baby schläft am besten von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens. Punktum!
Da ist die Frau, die ihrem Baby frühzeitig harte Brötchen zum Lutschen gibt. Aufregung in der Gruppe. Ob das denn schon gut für das Kind ist? Sie kann doch nicht einfach machen, was sie will. Wo kämen wir da hin?
Ja, du schöne Gruppenharmonie.
Das erklärt doch gut, warum die eine oder andere Mutter einfach dem Herdentrieb folgt, anstatt überhaupt erst in Versuchung zu geraten, eine eigene Meinung zu entwickeln.
Was für AuÃenstehende wie der übliche harmlose Zickenkrieg aussieht, ist Müttern von Babys und Kleinkindern todernst. In kaum einer anderen Gruppe wird so gnadenlos selektiert wie unter Müttern. Sehen Sie die Geburt als bewegendes Naturerlebnis und wollen auf keinen Fall Schmerzmittel? Vermutlich werden Sie erst einmal keine Anhängerin von Vollnarkose und Kaiserschnitten zur Freundin haben. Gebären Sie im Geburtshaus und legen Sie Wert auf Stoffwindeln? Es ist unwahrscheinlich, dass Sie Freundinnen im Krankenhaus-Pampers-Lager finden. Stillen Sie oder geben Sie die Flasche? Eine wichtige Entscheidung für Ihren Freundeskreis. Kaufen Sie Gläschen oder kochen Sie selbst Ãko-Brei? Favorisieren Sie das Familienbett? Beschäftigen Sie Babysitter? All diese für AuÃenstehende nichtig erscheinenden Aspekte haben das Potenzial, ganze Riegen unerfahrener Mütter zu trennen. War die Suche nach Freundinnen in einem früheren Leben oft ein langes Auseinandertüfteln von »so bist du und so bin ich und wir schauen, ob wir zusammenpassen«, ist sie jetzt ein Ruck-zuck-Verfahren. Frei nach dem Motto: »Zeige mir dein Kind und wie du es behandelst, und dann schaue ich, ob ich dich treffen will.«
Die Impfdebatte: Mehr als eine persönliche Entscheidung
Das Thema »Impfen: ja oder nein?« ist
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