Mutterschuldgefuehl
hierbei regelrecht zum Glaubenskrieg mutiert, nicht nur unter Müttern. Denn hier geht es ja nicht mehr allein darum, dass Eltern für ihr eigenes Kind entscheiden, sondern es geht auch um die Frage, ob Impfverweigerung anderen Kindern schaden könnte, eine These, die von vielen Ãrzten und Eltern vehement vertreten wird, von anderen Ãrzten und Eltern genauso heftig bestritten wird. Zu dem Thema gibt es unzählige Texte, Argumente, Gespräche und Studien. Forscher X behauptet dies, Forscherin Y proklamiert das, und im Freundes- und Bekanntenkreis
kursieren haarsträubende Geschichten und Bücher über Impfungen genauso wie über Impfverweigerer. Letztendlich gibt es keine absolut richtige oder absolut falsche Entscheidung. Es gibt nur eine Wahl zwischen beiden. Wir müssen ins kalte Wasser springen, ob es uns gefällt oder nicht. Viele drehen sich im Kreis auf der Suche nach der perfekten Lösung, andere folgen den Empfehlungen ihres Kinderarztes, aber wie wir uns auch entscheiden - so oder so könnte ein Kind Schaden nehmen.
Und deshalb sind Diskussionen um dieses Thema immer besonders sensibel. Hier prallen nicht nur Welten aufeinander, vergleichbar den Diskussionen zwischen eingefleischten Schulmedizinern und überzeugten Homöopathen, sondern hier sitzen Mütter, die echte und begründete Angst haben, mit ihrer Entscheidung ihrem Kind zu schaden, und nur gutgläubige Anfängerinnen in der Mutterwelt wie ich beginnen arglos Gespräche über Impfungen und wissen dann gar nicht, wie ihnen geschieht. Mutter-Kind-Gruppen werden ja meist nach dem Alter der Kinder zusammengestellt, nicht nach den Interessen und Weltbildern ihrer Mütter. Da können sich schon mal spannende Konstellationen in der Gruppendynamik ergeben. Wer einmal erlebt hat, wie Mütter sich über dieses Thema von jetzt auf gleich bitterböse in die Haare geraten, ist fassungslos, wie tief die Ãngste schwelen und wie hoch die Aggressionen kochen können - und macht sich keine Illusionen mehr über die Toleranz unter Müttern.
Zehn nette Mütter, die sich immer gut verstanden haben, sitzen im PEKiP-Kreis auf dem Boden. Die Sonne lacht, wir sind gut gelaunt, unsere Babys liegen ruhig auf den Gummimatten und machen Pause. Wir haben Zeit zum Plauschen.
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»Habt ihr eure Kinder schon geimpft?«, frage ich.
»Ja, letzte Woche«, sagt Sabine.
»Ich weià nicht, ob ich impfen lasse«, sagt Katrin.
Kurzes Schweigen.
»Wieso weiÃt du das nicht?«, fragt Sabine.
»Weil ich gelesen habe, dass Impfschäden auftreten können. Ich finde das gefährlich«, antwortet Katrin.
Kurzes Schweigen.
»Also, wir haben die Fünffachimpfung gemacht und sie hat alles gut vertragen«, sagt Sabine plötzlich mit hochrotem Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir unser Kind in Gefahr gebracht haben.« Sie holt Luft. »Ich finde es eher kriminell, sein Kind nicht zu impfen. Damit gefährdet man alle anderen Kinder.«
Wieder Schweigen.
Die Mütter nesteln nervös an ihren Kindern rum.
Katrin betont ruhig:
»Willst du damit sagen, dass ich eine Verbrecherin bin, wenn ich nicht impfen lasse?«
»In gewissem Sinne ja, schon«, sagt Sabine.
Katrin zeigt rote Flecken am Hals.
»Das ist doch absurd. SchlieÃlich haben wir immer noch die Impffreiheit.« Kurze Pause. Dann fügt sie hinzu: »Ich finde die Fünffachimpfung kriminell. Das würde ich schon mal gar nicht machen. Damit spritzt man doch etliche Krankheitserreger auf einmal. WeiÃt du, wie viele Kinder davon behindert wurden nach dieser Impfung?«
»WeiÃt du, wie viele Kinder durch Leute wie du schon gestorben sind?«, ruft Brigitte auf einmal hitzig von hinten in den Raum. »Das ist total egoistisch. Dein Kind kann Krankheiten übertragen und unsere sterben daran.«
»Wenn das Kind geimpft ist und die Impfung nicht anschlägt, kann man ja wohl nicht denen die Schuld geben, die nicht geimpft sind. Dann war die Impfdosis wohl Schrott«, wirft Katrin erbost zurück.
»Ja, klar! So einfach kann man sich das machen. Wir lassen unsere Kinder alle impfen, damit ihr schön ohne Krankheit und Impfung leben könnt«, zischt Sabine.
»Die Krankheiten, gegen die man impft, sind so gut wie ausgerottet, und übrigens nicht wegen der Impfungen, sondern wegen der gestiegenen Hygiene. Ich bringe mein Kind nicht in Gefahr, nur weil ihr glaubt, dass ich
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