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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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das machen muss. Impfung ist doch nichts anderes als Körperverletzung!«
    Â»Nicht-Impfung ist kriminell!«, ruft Brigitte.

    Aufgebracht starren sich die Frauen an.
    Â»Ich muss jetzt weg«, sage ich mit vor Schreck geweiteten Augen und laut klopfendem Herzen, und im Nu rennen wir alle auseinander.
    Â 
    Die Impfdebatte zu aller Zufriedenheit aufzulösen ist unmöglich, und daher ist sie ein hervorragendes Beispiel, wie die moderne Mutter-Kind-Welt im Grunde funktioniert: Wenn ich es anders mache als die anderen, kann ich nicht mit Toleranz und schon gar nicht mit aufrichtigem Interesse oder Respekt rechnen. Ganz im Gegenteil: Ich kann mich auf Schuldzuweisungen freuen. Wenn ich es anders mache als andere Mütter, bin ich per se die Doofe. Wohl der, die eine Gruppe von Müttern findet, zu der sie passt. Und bedauernswert die, die keine Verbündeten findet. Es kann ganz schön einsam werden. Und der ganze Spaß unter Müttern geht erst richtig los, wenn es nicht mehr allein um die Frage geht, ob denn eine Spritze gesetzt werden soll oder ein Brötchen geknabbert werden darf. Die wahren Brüche unter Müttern finden ganz woanders statt. Die echte Trennung vollzieht sich zwischen Hausfrauen und Berufstätigen.

Wer ist der bessere Coach: Hausfrau oder Erwerbstätige?
    Interessanterweise wird im Gegensatz zum Thema Impfung dieser Punkt »Zu Hause bleiben oder arbeiten gehen« kaum noch im Alltag zwischen Müttern entgegengesetzter Positionen diskutiert. Da sind wir inzwischen alle vorgewarnt. Aber unter Gleichgesinnten und auch in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und im Internet können wir, auch gerne anonym, ungezwungen die Meinung sagen. Und es ist nicht übertrieben zu sagen: Die gegenseitigen Vorwürfe von einer Mutter zur anderen schwingen sich zu einer Gehässigkeit und Aggression auf, die man sich so im Alltag besser nicht erlauben sollte, wenn man gedenkt, noch einmal unbehelligt auf die Straße zu gehen. In diesen uns allen wohlbekannten Statements, welche Mutter denn nun die beste Kinderbetreuung
leistet, herrschen eine Intoleranz und eine Angriffslust, die ihresgleichen suchen. »Du vernachlässigst dein Kind« kontra »Du klammerst« ist da noch freundlich.
    Es ist übrigens in diesen Beiträgen zur gelungenen Kinderbetreuung für alle Mütter immer ganz wichtig zu signalisieren, dass es ihnen als Mutter natürlich nicht darauf ankommt, was sie als Frau im Leben wollen, wie sie ihre Tage verbringen möchten oder sich für ihr Leben zu rechtfertigen. Sondern es ist natürlich immer nur wichtig, was ich als Mutter und gute Bürgerin darf. Wo leiste ich am meisten für die Gesellschaft? Wie kann mein Kind durch meine Arbeit optimal aufwachsen?
    Im Prinzip ist damit in unserer modernen Zeit an die Stelle des Patriarchen, der die Frau jahrhundertelang zur Leistung antrieb, das Kind getreten, dem wir unter Anleitung von Experten dienen und opfern. Und das Kind muss nicht mal selbst die Peitsche schwingen. Was für selbstlose, göttliche Kreaturen wir Mütter doch sind!
    Zurück zur Schuldfrage: In den letzten Jahren haben sich die Positionen in Deutschland verschoben. Während es vor gar nicht allzu langer Zeit in diesen wunderbaren Kleinkriegen zwischen Berufstätigen und Hausfrauen im Prinzip darum ging, dass das Kind zu seiner Mutter gehört, weil es nur bei ihr die echte Liebe erfahre, die es brauche, um Urvertrauen zu bilden, steht heute zunehmend die Frage im Fokus, welcher Muttertyp dem Kind eine bessere Karriere ermöglicht. Wie kann man beim Kind mehr Synapsen im Hirn zum Wachsen anreizen und seine soziale Kompetenz schulen? Welches Kind ist hier begünstigt? Das, welches gemütlich an Mamis Rock hängt, oder jenes, welches in Kindergruppen von Anfang an gefordert wird? Welche Mutter ist das bessere Vorbild für kleine Töchter, für die späteren erfolgreichen Geschäftsleute, Ingenieurinnen und Projektentwicklerinnen, die jetzt noch in den Windeln stecken? Das Heimchen am Herd oder die berufstätige Frau? Na eben.
    Mit anderen Worten: Hausfrauen haben heutzutage ein denkbar schlechtes Image. Sie gelten bei Nicht-Hausfrauen als langweilig, dumm und unterdrückt und als karrierehemmend
für ihren Nachwuchs. Also würde ich mir eher die Zunge abbeißen als von mir zu sagen, ich wäre Hausfrau. Je nach Stimmung variiere ich meine Antworten, wenn es Fragen nach meiner

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