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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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unsere Babys ein bisschen in die Seite, schubsen sie auf den Bauch, halten ihre Köpfchen hoch, damit sie kapieren, wo es hinführen soll, und treiben sie mütterlich liebevoll an, mal etwas schneller zu machen, weil die anderen sie sonst überholen.
    Wir glauben an Normkurven. Wir glauben, dass unpopuläre Abweichungen von der Norm therapiert werden sollten. Wir glauben, dass wir unser Kind antreiben müssen, weil das Leben ein Wettrennen um die besten Plätze ist.
    Und dann machen wir uns auf die Suche nach weiteren Förderkursen und geeigneten Therapien. Babyschwimmen, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Osteopathen …
    Natürlich sind Vergleiche im zarten Babyalter nicht nur in Bezug auf körperliche, sondern auch auf gesellschaftliche Normen genauso simpel wie später im Leben. Wenn ich wissen möchte, ob mein Kind in der Gesellschaft von Anfang an gut ankommt, ist das ganz einfach. Da gibt es klare Regeln: Als angenehm gilt ein Kind, das in sauberer Kleidung steckt, wenig Mühe und Aufmerksamkeit erfordert und sich leicht anpasst. Ruhige, saubere, freundliche und aufgeweckte Kinder sind beliebt. Solche Kinder sehen kleine und große Gesellschaften gerne.
    Ist das Kind aber laut, dreckig, aggressiv, uninteressiert und zeigt vielleicht noch, dass es bestimmte Erwachsene nicht mag, erntet es schnell Befremden.
    Natürlich gibt es bei den Wesensvergleichen unterschiedliche Wertungen für Mädchen und Jungen. Ein lautstarker dominanter Junge gilt im Windelalter noch als »echter Junge«, ein ähnlich gestricktes Mädchen wird dagegen schon alsbald als »Zicke« bezeichnet. Ein schüchternes Mädchen ist süß, ein schüchterner Junge ein Weichei und so weiter und so fort.

Welche Mutter ist die beste?
    Und wenn wir schon einmal dabei sind - warum sollten wir nur die Kinder vergleichen? Ob ein Kind nun einen besonders guten Eindruck macht oder aber einen ausnehmend
schlechten - die Frage ist doch: Was macht die Mutter, dass das Kind ist, wie es ist? Wer ist wirklich eine gute Mutter und wer ist es eher nicht?
    Diese Frage zu beantworten, ist nicht so einfach, will ich korrekt und objektiv sein und mich nicht auf reine Sympathie oder Antipathie berufen. Es gibt einige pseudowissenschaftliche Kriterien. Eine Mutter etwa, die alles im Griff hat, ein gepflegtes, sauberes Aussehen, Fröhlichkeit und souveränes Auftreten zur Schau trägt (eben so wie in den Hochglanzbroschüren) und vor allem über beeindruckendes Wissen über Kinderpflege, -ernährung, -ratgeber und optimale Fördermöglichkeiten verfügt und sich auch noch konsequent an die Richtlinien an die gute Mutter hält -, diese Frau genießt stillen Respekt.
    Mütter, die von oben bis unten wie ihre Kinder bekleckert sind, fettige Haare haben, keine Ahnung von Kinderpsychologie und optimalen Förderangeboten besitzen und dafür auch noch demonstrativ Desinteresse zeigen, vielleicht noch frech behaupten, es reiche, mit gesundem Menschenverstand, mütterlicher Liebe und Intuition den richtigen Weg zu finden, ja, vielleicht sogar mit dem Kind den lieben langen Tag zu kuscheln und wertvolle Zeit ungenutzt vorüberstreichen zu lassen, ernten stummes Kopfschütteln, auch wenn das Kind noch so goldig ist. Diese Mütter haben einfach nicht verstanden, dass die Welt kein Kuschelpfad ist.
    Natürlich muss ich mich im Endeffekt bei meiner Wertung bei diesen oberflächlichen Kontakten im geschützten Raum eines PEKiP-Kurses darauf verlassen, wie die anderen sich präsentieren und was sie von ihrem Alltag erzählen. Sie müssen ja nicht mal lügen. Schweigen ist so einfach und beschönigen ist nicht verboten. Kein Mensch sieht hier, wie dieselbe Frau, die hier souverän ihr Baby behandelt und kundig neueste Forschungsergebnisse über Frühförderung von sich gibt, unter Extrembedingungen reagiert, sprich bei schreiendem Kind im Supermarkt oder in der völlig verdreckten Wohnung und Schwiegermutterbesuch.
    Auch kann ich schlecht kontrollieren, ob die Dame mir gegenüber tatsächlich kontinuierlich eine halbe Stunde pro Tag
mit ihrem Baby motorische Übungseinheiten durchzieht. Ein konsequentens Verhalten, das mir vor Neid die Mundwinkel fallen lässt. Schon bei dem Gedanken, derartige Trainingseinheiten zu leiten, fühle ich meine Füße einschlafen und Anflüge von Depression über mich schwappen. Ich habe zwar den Verdacht, dass einige

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