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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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beruflichen Situation gibt. Ich nuschele durch die Zähne solche Sachen wie »bin zurzeit zu Hause«, »Erziehungszeit« oder »momentan Vollzeitmutter«. Hausfrau sein ist völlig out , und ich möchte mich nicht mitleidig belächeln lassen, zumal ich gar kein Haus bewohne, sondern nur eine Wohnung. Der Begriff »Hausfrau« kommt mir da doppelt albern vor. Ich bin eine moderne junge Mutter, ich will auch als solche gelten.
    Das Dumme ist nur, dass ich nicht erwerbstätig bin und auch keinen Arbeitsplatz vorweisen kann, an den ich eines Tages zurückkehren könnte. Wenn man es genau nimmt, bin ich eine Hausfrau, nur habe ich noch keinen Namen gefunden, der diesen Fakt für andere als das Erstrebenswerte darstellt, was es trotz aller Schwierigkeiten als Mutter für mich ist. Wohin ich auch schaue - der Begriff »Hausfrau« weckte düstere Vorstellungen.
    Denn ich bin als Hausfrau kein Opfer mehr, und so paradox es klingen mag: Das genau ist mein Problem. Ich werde nicht mehr durch Ehegesetze gezwungen, zu Hause zu bleiben, die Kinder zu erziehen, zu waschen, zu kochen, zu putzen und zu trösten. Heute dürfen Frauen lernen, studieren, arbeiten, Geld verdienen. Sie können theoretisch selbst entscheiden, ob sie schwanger werden wollen oder nicht. Sie müssen nicht mehr heiraten und Kinder kriegen, um akzeptiert zu werden. Sie heißen nicht mehr »Fräulein« oder »alte Juffer« (auch: »alte Jungfer«), wenn sie ledig bleiben. Seit 1977 dürfen Männer ihren Ehefrauen nicht mehr verbieten, berufstätig zu sein, seit 1994 dürfen Frauen ihren Namen bei einer Eheschließung behalten und seit 1997 darf der Gatte sie auch tatsächlich nicht mehr straffrei in der Ehe vergewaltigen. Frauen sind in Deutschland per Gesetz keine Untergebenen mehr - zwar noch nicht lange, aber immerhin - und daher kann ich nicht wie meine Kolleginnen in den 70er-Jahren mit dem Mitleidsbonus rechnen. Ganz im Gegenteil. Ich muss mich für meine Lebensweise rechtfertigen.

    Interessanterweise bedeutet für viele Menschen »Emanzipation der Frau« nicht die Freiheit einer Frau, über ihr Leben selbst entscheiden zu können und gemäß ihren Neigungen und Anschauungen zu leben, solange sie mit dem Grundgesetz und der Verfassung einhergehen. Sondern »Emanzipation der Frau« heißt hier vielmehr, sich richtig entscheiden zu müssen, einem höheren Ganzen zuliebe. Sprich: sich so zu entscheiden, wie es diese oder jene Gruppierung für richtig hält, um unsere Gesellschaft im Ganzen zu verbessern. In diesem Zusammenhang wird häufig nicht der Zwang zur Hausarbeit als Unterdrückung gesehen, sondern die Hausarbeit an sich, die Arbeit einer Hausfrau zum Wohle anderer, auch wenn sie freiwillig geleistet wird.
    Mir ist das alles sehr peinlich. Ich habe mich immer als Feministin verstanden und bin aufrichtig betrübt, nicht mehr dazuzugehören. Ich will den Fortschritt der Frauen nicht aufhalten. Ich fühle mich schuldig und unwohl bei dem Gedanken, patriarchalen Strukturen zum Auftrieb zu verhelfen, auch wenn mir nicht ganz klar wird - so denke ich ketzerisch -, was ich früher im Büro zur Rettung der Frauen beitrug, so fremdbestimmt und ausgeliefert ich mich damals oft fühlte.
    Aber wie dem auch sein - ich bin wild entschlossen, jeden Verdacht einer unterdrückten Mutti und Hausfrau im Keime zu ersticken. Ich möchte zeigen, dass auch ich mich mündig in die Gesellschaft einbringe. Ich möchte zeigen, dass auch ich als Hausfrau im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, Rechte und Pflichten bin. Schließlich bin ich immer noch dieselbe wie früher, nur jetzt mit Kind und ohne Lohn.
    Allerdings scheint meine Überzeugungskraft mäßig zu sein. Während ich früher mein stressiges Arbeitsleben in Partygesprächen zu eindrucksvollen Projekten einer Powerfrau aufpeppen konnte, hängt mir heute keiner mehr an den Lippen. Meine Versuche, mein Leben als Mutter und Hausfrau als erfüllend und anspruchsvoll darzustellen, werden höchstens belächelt. Ja, ich werde sogar gefragt, wann ich wieder richtig arbeiten werde, ob ich mich nicht langweilen würde und nicht intellektuell unterfordert sei. Anfangs habe ich auf diese Fragen noch fröhlich und ehrlich geantwortet, dass ich
es liebe, keinen Chef zu haben und gute Zeitungen und Bücher zu lesen, aber eines musste ich schnell lernen: langweilige Hausfrauen

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