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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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verlieren. Mein Herdentrieb ist zwar sonst schwach ausgeprägt, aber für einfaches Traben in Gruppenveranstaltungen reicht es gerade noch. Und so landen wir in einer Babyturngruppe. Sie wissen schon, motorische Entwicklung und so.
    Babyturngruppen zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur die Babys turnen, sondern auch hochmotivierte Eltern von einer Ecke zur anderen hüpfen. Ich merke gleich zu Anfang, dass ich besser zu Hause geblieben wäre.
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    Â»Guten Tag. Hallo! Guten Tag.«
    Â 
    Nach allen Seiten grüße ich eifrig bekannte Gesichter, während ich krampfhaft versuche, meinen Kinderwagen im Vorraum noch zwischen die anderen zu quetschen. Atemlos hebe ich meine Kleine schließlich aus ihrem Gefährt und gemeinsam bahnen wir uns einen Weg durch die winzige Umkleidekabine und suchen ein Plätzchen, an dem wir uns umziehen können. Mit angewinkelten Ellbogen versuche ich meiner Tochter und ihrer Windel einen sportlichen Dress überzuziehen und werde gleich nervös durch all die kleinen Sportler, die mir um die Beine flitzen. Schon nach zwei Minuten bin ich in Schweiß gebadet, ohne überhaupt auch nur ein Beinchen zum Turnen gehoben zu haben. Vorsichtig sehe ich in die Gesichter der anderen arbeitenden Mütter und des einen obligatorischen Vorzeige-Vaters. Ob sie sich auch so unwohl fühlen wie ich? Sehe ich funkelnde zielstrebige Augen, bereit zum Trainingscamp, oder sind das bereits Tränen der Erschöpfung?
    Und dann geht es auch schon los. Nach einem kurzen Begrüßungsliedchen, bei dem inzwischen nicht mehr nur die
Mütter singen, sondern auch die Kinder begeistert mitlallen, stürzen wir uns in die Trainingswelt.
    Babyturnen ist im Grunde ein wissenschaftliches Experiment. Anstatt unsere Kinder frei in Wald und Wiese laufen zu lassen, uns gemütlich auf eine Decke zu setzen, ein gutes Buch zu lesen und unseren Nachwuchs im Augenwinkel zu behalten, begeben wir uns beim Babyturnen mit den Kindern in einen sicheren, künstlichen Raum mit vier ausbruchssicheren Wänden, ohne fiese Krabbeltiere, ohne stinkende Hundehaufen, Bierglasscherben und Fixerbestecken, giftige Pflanzen, gefährliche Sonneneinstrahlung oder tiefe Gewässern, dafür aber mit sicheren Versuchsaufbauten, sprich stabilen Holzbänkchen, TÜV-geprüften Leitern, Holzböckchen und jeder Menge dicker Gummimatten. (Im Prinzip ist die ganze Mutter-Kind-Welt eine Gummimattenwelt, das wird mir allmählich klar.) Wir ahmen im Prinzip die Natur gekonnt nach, nur ohne diese garstigen Unannehmlichkeiten und spontanen Eingebungen der Kinder, denn wir tun nur alle so, als könnten sich unsere Kinder frei entfalten. Ihre Bewegungsabläufe sind vorher ausgeklügelt geplant und die Bewegungsreihen bauen geschickt aufeinander auf. Wir lassen die Kinder auf unfallverhütenden Gummimatten krabbeln, laufen, hüpfen und springen und sind durch die Versuchsanordnung bequem in der Lage, jede Bewegung und Äußerung unserer Kinder miteinander und untereinander weitgehend zu kontrollieren. Ja, mehr noch. Wir krabbeln und hüpfen durch die verschiedenen Parcours vorweg, damit sich die Kinder freuen und wissen, wie es aussehen soll. Und dann rufen wir unseren Kindern aufmunternd zu, es doch auch mal zu versuchen.
    Â 
    Â»DAS MACHT GANZ VIEL SPASS!«
    Â 
    Und so setzen sich unsere Kinder mehr oder weniger in Bewegung und entdecken ihre motorischen, sensorischen und sozialen Kompetenzen. Oder auch nicht.
    Um es vorneweg zu sagen: Diese ganzen Vergleiche in der PEKiP-Gruppe sind Pipi-Kram. Wen interessiert heute noch,
wer als Erstes das Köpfchen hob? Jetzt erst wird es spannend. Jetzt wird es interessant, denn die Kinder sind nun kleine, aufrecht gehende Homo sapiens und wir Mütter wollen wissen, ob sich die Synapsen bisher günstig verbunden haben. Wen wundert’s, dass manche von uns von Anfang an scharf die Konkurrenz unserer lieben Kleinen im Auge behält? Wer ist schneller, weiter, höher, intelligenter? Wer läuft wie ein Wiesel, hüpft wie ein Känguru und purzelt wie ein Butzemann? Und wer bleibt einfach stehen, hockt sich hin und macht die Spaßbremse? It’s showtime, babe!
    Ewig locken wir Mütter. Wir laufen mit und ohne Kinder durch die Halle, lachen, rufen, stellen uns vor Kletteraufbauten in Reihe auf, um unseren Kindern den Platz frei zu halten und das Entwicklungspotenzial unserer Kinder lückenlos zu entfalten. Wir kriegen uns

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