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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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Minderheit, die sich durch ihre hohe Begabung und Leistung von der großen Mehrheit unterscheidet und Spitzenpositionen einnehmen kann. Elite zu sein steht dieser Definition nach theoretisch allen Bürgern und Bürgerinnen in unserer Demokratie offen und daher ist es nicht mehr anrüchig, Eliten zu benennen. Ausgewählte Elitekindergärten, -schulen und -universitäten schießen wie Pilze aus dem Boden und private Kindergärten und Schulen, die eine erstklassige Bildung versprechen, haben Hochkonjunktur. Immer mehr Eltern wenden sich von dem gescholtenen öffentlichen Bildungssystem ab.
    Und was steht am besten am Anfang der Elite-Karriereleiter? Die Hochbegabung. Wir wünschen uns natürlich nicht laut, dass unser Kind hochbegabt ist, aber viele von uns insgeheim schon.

    Eine Mutter steht neben mir am Rand der Turnhalle. Wir schauen unseren Kindern zu. Ihr Sohn nimmt gerade Mattenstapel in der Ecke auseinander und ist genau bei der Arbeit. Die Kursleiterin lächelt säuerlich. Meine Tochter galoppiert mit fliegenden Zöpfen gekonnt an allen Turnaufbauten vorbei und wiehert wie ein Pferdchen. Ein paar Kinder laufen begeistert mit. Mir wird das Herz schwer. Gleich muss ich mein Kind einfangen, damit es artig vom Klettergerüst springt.
    Â»Ich bin wirklich froh«, sagt die Mutter neben mir, »dass der Alexander nicht hochbegabt ist.«
    Â»Ach, ist er nicht?«, frage ich zerstreut. Ich bin in Gedanken ein Pferdchen.
    Â»Nein, ist er nicht«, sagt sie. Und weil ich offensichtlich begriffsstutzig bin:
    Â»Und ich bin deswegen s-e-h-r f-r-o-h!«
    Endlich bin ich bei der Sache. Ich schaue sie an.
    Â»Wieso bist du denn froh, dass er nicht hochbegabt ist? Das ist doch was Schönes.«
    Â»Das glaubst du!«, sagt sie. »Das ist unglaublich anstrengend. Laufend musst du zu irgendwelchen Extrastunden, musst eine ganz spezielle Schule nehmen und dann ist dein Kind auch noch ein Außenseiter. Das ist ganz schwer!«
    Ihr Sohn fällt gerade von einem hohen Mattenstapel.
    Â»Das würde ich nie haben wollen«, schreit sie, während sie auf ihr Kind zuläuft. Ich schaue ihr nachdenklich hinterher. Bisher hatte ich mir über Hochbegabung keine Gedanken gemacht.
    Â»Kennst du denn hochbegabte Kinder«, frage ich sie, als sie atemlos wieder zurückkommt.
    Â»Ja, ich kenne eines. Und das ist das Ungerechte«, sagt sie grimmig. »Die werden so gefördert. Spezielle Schulen, speziellen Förderprogramme. Und unsere Normalen? Da kümmert sich keiner drum.«
    Und schon rennt sie wieder los, um ihrem Sohn zu helfen.
    Â 
    Ohne Zweifel, es ist die Bildung einer Elite, die viele Mütter von Anfang an auf Trab hält, denn Elitebildung bedeutet
auch immer, dass eine Schicht gebildet wird, von der sich die Elite abheben kann. Und wer möchte schon der Steigbügel sein?
    Um das plump auf das Bild einer Babyturngruppe zu übertragen: Da bildet sich die eine Gruppe, die Elite, die vornewegläuft, und die andere Gruppe, die Normalen, die hinterherläuft. Dass die eine Gruppe Elite sein soll und die andere die Normalen, ist reine Interpretationssache, aber vorherrschende, undiskutierte Meinung unter den Müttern. Die Eifrigen sind die Hellen. Ich tendiere ja eher zu der Auffassung, dass eine gewisse Verweigerungshaltung durchaus gesund ist, aber ich hüte mich, diese ketzerischen Gedanken in den Raum zu werfen. Denn die Stimmung ist nie unbelastet. Jede Woche ist die eine oder andere Mutter frustriert, weil ihr Kind aber auch so gar keine spielerische Freude an den Lerngeräten zeigt.
    Â»Ich weiß nicht, was ich machen soll«, wispern wir. Und die Kursleiterin sagt freundlich:
    Â»Das ist doch ganz natürlich. Das wird schon noch. Dein Kind ist eben ein guter Beobachter.«
    Natürlich will keine von uns ein Beobachter-Kind, sonst wären wir ja nicht in einer Babyturngruppe. Da wollen wir den agilen Sprinter oder die pfiffige Kletterathletin, aber das sagen wir nicht. Das wäre unfein.

Haben Sie Ihr Kind im Griff?
    Irgendwie müssen wir Mütter alle insgeheim überzeugt sein, dass unsere Kinder jetzt sind, wie sie immer sein werden. Mehr kommt nicht. Dass das, was sich uns im zarten Alter unserer Kinder von 16 Monaten präsentiert, unser ganzes Leben lang vor unserer Nase rumhüpfen wird. Würden wir sonst so nervös werden, nur weil das Kind herzlich wenig Freude an Turnaufbauten hat?
    Wenn ich also annehme,

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