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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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natürlichen Entwicklungsphasen unserer Kinder verstehen, um sie optimal fördern zu können.
    Â» Kommunizieren Sie mit Ihrem Kind, bevor es sprechen kann - mit babyleichter Zeichensprache!«
    Nicht, dass ich nicht auch nonverbal mit meinem Kind kommunizieren könnte. Ich wedele gerade wild mit den Armen herum. Aber der Kurs »Babyzeichensprache« könnte ihr und mir vielleicht zu einem dezidierten Gedankenaustausch verhelfen. Was wollen mir die Socken präzise sagen? Ist das Kind bereit für das Bedienen der Waschmaschine? Allerdings - ich bin eine aufgeklärte Mutter - hält eine effektive Zeichensprache mein Kind nicht vom Spracherwerb ab? Warum sollte Töchterchen den Mund aufmachen, wenn Mami schon auf Fingerschnipsen reagiert?
    Vielleicht sollten wir doch lieber einen Babymassage-Kurs buchen? O-Ton Website:
    Â» Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass das regelmäßige Massieren von Babys einen positiven Einfluss auf deren neurologische und physiologische Entwicklung hat. Entwicklungspsychologen sind sich einig, dass eine liebevolle Babymassage bewirken kann, dass Babys sich körperlich, geistig und seelisch bestmöglich entwickeln können. Babys lernen von Geburt an mit allen Sinnen!«
    Auch ich lasse mich gerne massieren und fühle mich unter erfahrenen Händen durchaus positiv entwickelt. Ja, es hört sich alles sehr überzeugend und schlüssig an. Es ist ein bisschen wie Horoskope lesen - auf wundersame Weise scheint irgendwie alles zu passen.
    Besonders beeindruckt bin ich durch die Angebote verschiedener »Bildungszentren«, die gewitzte Kursleiter von Mutter-Kind-Gruppen gegründet haben (wie klein darf ein Zentrum sein?). In den Werbetexten reden sie klug von optimaler Gehirnentwicklung, dem positiven Einfluss auf spätere Leistungen in der Schule und dem gewünschten Einfluss auf lebenslanges Lernen. Hier gibt es »nicht einfach
›Kinderturnen‹, ›Musikerziehung‹ oder eine ›Krabbelgruppe‹ für Kinder und Babys«, das wäre viel zu simpel. Hier gibt es ausgeklügelte Programme zur Entfaltung des vollen kindlichen Entwicklungspotenzials und Tipps für die Unterstützung für das optimale Wohnambiente für meine kleine Windelmaus:
    Â»Weiterhin bekommen Sie eine Menge Ideen, wie Sie zu Hause eine tolle ›Lernatmosphäre‹ für Ihr Kind schaffen können. Sie können Ihrem Kind helfen, sein volles Potenzial an Entwicklung, Intelligenz und sozialer Kompetenz auszuschöpfen.«
    Wer genauer in den Texten liest, entdeckt hier und da Hinweise, dass die meisten Förderprogramme ursprünglich für Kinder mit Lernschwierigkeiten entwickelt worden sind. Aber wen interessiert das schon? Warum sollen nicht alle Babys den » maximalen Nutzen aus jeder natürlichen Entwicklungsstufe « ziehen? Die Programme klingen beeindruckend. » Sensorische Stimulation «, » Aktivitäten zur motorischen Entwicklung « - all das hört sich doch viel bestechender an als »Rassel schütteln« oder »Purzelbaum machen«. Wollen wir unseren Kindern etwa ihr volles Potenzial verwehren? Das wäre doch töricht. Denn, so ruft der Berliner Kursanbieter KindyROO Deutschland euphorisch auf seiner Website:
    Â»Nichts kann mehr Befriedigung geben, als die Entwicklung des eigenen Kindes zu fördern!«
    Ah ja.

Parcours! Babyturnen & Co.
    Ich will ehrlich sein, ich oute mich hier, auch auf die Gefahr hin, für Jahre mein seriöses Mutter-Antlitz zu verlieren: Die Förderung des Gehirns meiner Tochter ist mir in ihrem zarten Alter noch herzlich egal. Sie wird das schon machen, die Kleine. Mein Vertrauen in ihre natürliche Entfaltung ist inzwischen riesengroß. Sie hat schließlich die ersten Monate bei einer hysterischen Mutter nicht nur prima überlebt, sondern ist dabei tatsächlich gewachsen und gesprossen und scheint auch noch fröhlicher Dinge zu sein. Ich finde sie gut so, wie sie ist, und bin fest überzeugt, dass sie ganz von alleine
noch so viel zu entdecken hat, dass sie die nächsten Jahre mit Wachsen und Spielen gut ausgelastet ist, auch ohne Zusatzprogramme. Für mich kann sie erst einmal Spaß haben bis zum Umfallen, rein als Selbstzweck. Der Rest kommt schon noch.
    Aber - sie und ich, wir sind gern unter Menschen. Und da sich viele Mütter in den neuen Kursen anmelden, tun wir das auch. Ich will nicht den sozialen Anschluss

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