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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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wie Kleinkinder in die Haare, wenn die Reihenfolge nicht eingehalten wird, wer als Nächstes springen, hüpfen, rollen darf (»Nicht vordrängeln! Wir sind dran!«) und in kleinen Atemverschnaufspausen stehen wir am Rand der Turnaufbauten, beobachten die Kinder und feuern unseren Nachwuchs an. »Lauf, Paul, lauf!« »Spring, Lena, spring!« »Toll machst du das! Ganz toll!!«
    Und dann geben wir kleine Manöverkritiken unter Müttern zum Besten von uns.
    Â 
    Â»Mensch, die Lena will aber auch so gar nicht heute.«
    Oder:
    Â»Hast du gesehen, wie der Paul da laufen kann? Unglaublich! Mein Alexander kann das gar nicht.«
    Â 
    Ja, man kann eine gewisse Leistungsorientierung nicht überhören. Aber wer will es uns verdenken? Wir haben alle die Informationsbroschüren der Kursanbieter gelesen. Wir versprechen uns für unseren Einsatz und unsere Kursbeiträge einen klaren Wettbewerbsvorteil, und den möchten wir auch mal sehen. Nicht, dass es keinen Spaß machen würde, mit den Kindern rumzutollen, aber ein gewisses Maß an Anspruchshaltung
ist nicht zu überhören. Wir wollen Ergebnisse sehen. Das hier ist kein Spaß! Dafür ist das Gehopse zu teuer. Da könnten wir ja gleich auf den nächsten Spielplatz ziehen und die Kinder Kinder sein lassen.

Assessment-Center für die Kleinsten - PISA und die neue Elite
    Die meisten Mütter haben einen harten Arbeitsmarkt kennengelernt und sie wissen: Es geht nicht mehr darum, ein Kind zu einem anständigen Menschen zu erziehen, der seiner Tage Arbeit ehrlich nachgeht. Arbeit gibt es ja nicht mehr für alle. Es geht darum, Kinder so breit, so gut und so früh wie möglich zu fördern, damit sie später auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt überhaupt eine Arbeit finden können. Der Run auf die wenigen Plätze hat bereits begonnen. Das glauben wir jedenfalls. Deshalb heißt »Kind sein« nicht mehr »Freiheit genießen und spielen«, wie es zum Beispiel in der Flower-Power-Generation mal üblich war, sondern »spielerisch lernen und Potenziale erschließen«. Intelligenz, Begabung, Mobilität und Schnelligkeit gelten heutzutage schon im Windelalter als Indikatoren einer guten Kinderstube und der Begriff«hochbegabt« schleicht sich allmählich in unsere Gespräche genauso oft ein wie das Wort »PISA«.
    Die PISA-Studien sind so etwas wie der Super-GAU im Eltern-, Kinder-, Erzieherinnen- und Lehreralltag. Kaum etwas hat uns in den letzten Jahren so erschüttert wie die Erkenntnis, dass das einst so viel gerühmte deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich verheerend abschneidet. Im Jahr 2000 attestierte das PROGRAMME FOR INTERNATIONAL STUDENT ASSESSMENT (Programm für Internationale Schülerbewertung) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dem deutschen Bildungssystem eklatante Mängel. Von 33 teilnehmenden Ländern in der PISA-Studie lagen deutsche Schüler mit ihren Leistungen auf Platz 25.
    Seit dem Jahr 2000 finden in dreijährigem Turnus immer
wieder internationale Schulleistungsuntersuchungen in den meisten der Mitgliedsstaaten der OECD und in Partnerstaaten statt, die die alltags- und berufsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten 15-jähriger Schüler messen sollen, aber bedauerlicherweise sind die Ergebnisse immer noch alles andere als erfreulich. Man mag darüber diskutieren, ob PISA-Ergebnisse aussagekräftig sind, ob die Bildungssysteme der verschiedenen Länder mit der gewählten Methode überhaupt vergleichbar sind oder ob die getesteten Fähigkeiten überhaupt allgemeingültige Bildungsziele sind. Fest steht aber: Die Bildungsberichte der OECD konstatieren, dass Deutschland mit seinem gesamten Bildungssystem international weit zurückliegt. Zu wenige Akademiker, nicht genug Geld für Schulen und Universitäten - Deutschland muss damit rechnen, international den Anschluss zu verlieren. Mit anderen Worten: Die OECD tadelt das deutsche Bildungssystem. Und unsere Kinder sitzen mittendrin. Das macht nicht fröhlich. Im Gegenteil - das Misstrauen gegen das deutsche Bildungssystem sitzt inzwischen tief. Private Vorsorge scheint vielen angebracht.
    Gleichzeitig ist der Begriff der Elite seit einigen Jahren kein Tabu mehr in Deutschland. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird der Begriff wieder ungezwungen verwendet und meint damit heute mehr oder weniger eine

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