Mutterschuldgefuehl
Hose. Kuchen backen kann im Zeitalter peppiger Backmischungen jeder Idiot, aber irgendwie habe ich das mit dem gemütlichen Zusammensein beim Kita-Fest und der Vorstellung, dass jeder etwas mitbringt, völlig falsch verstanden. Mir wurde nicht gesagt, dass hier keine fröhliche Party gefeiert wird, in der man sich aus guter Laune groÃzügig gegenseitig bewirtet, sondern dass das mehr oder weniger eine Wohltätigkeitsveranstaltung ist, eine Art Fundraising zum Wohle des Fördervereins der Kita, der Spielzeug und Materialien für die Kinder anschaffen will. Die Erzieherinnen und Ergänzungskräfte opfern ihre Freizeit, wir geben unsere Freizeit, unsere Basteleien, Kuchen und unser Geld, damit wir mit allen Kindern hübsch zusammen feiern können. Da ich meinen selbst gebackenen Butterkuchen in viele kleine Stücke unterteilt habe, damit zahlreiche Kinder und Eltern etwas davon haben, will keiner meinen Kuchen für 50 Cent das Stück kaufen. Die anderen Torten sind viel gröÃer und schöner. Mein
Kuchen bleibt einsam auf dem Teller zurück. Mit schlechtem Gewissen, kein Geld für den Förderverein erwirtschaftet zu haben, erwerbe ich einen von mir verhunzten Eisbären und schleiche nach dem Kita-Fest mit Butterkuchen nach Hause. Hört das denn nie auf mit den Schuldgefühlen?
Nein, tut es nicht. Denn es ist ganz klar: Wir Mütter geben unsere Kinder nicht zum Spaà hier ab. Es geht nicht in erster Linie darum, uns zu entlasten. Das war einmal, dass Kinder schön hübsch spielen sollten, während Mami arbeitete. Es geht vor allem darum, den Kindern einen optimalen Start ins Leben zu verschaffen, gemeinsam, als Team. Unsere Kindergartenbeiträge sind keine Option auf kinderfreie Zeit. Wenn ich jemals etwas anderes angenommen hatte - auf der Vollversammlung der Kita begreife ich endlich, woher der Wind weht. Wir Eltern, die gekommen sind, sollen anonym auf kleinen Zetteln niederschreiben, was wir uns für alle Kinder wünschen. Was können wir für unsere Kinder tun? Was kann ich dazu in dieser Kita beitragen, dass es allen Kindern besser geht? Die Beiträge werden gleich an Ort und Stelle gelesen und ausgewertet, die Papiere an eine Flipchart geheftet. »Glück« steht da, »ein schönes Leben«, »Selbstbewusstsein«, »Freude am Lernen« »Freunde und Liebe« und viele andere Dinge, die einem Elternteil das Herz erwärmen. Ein paar Eltern bieten ihre Talente an für Kurse - Englisch, Malen, Kochen und so weiter. Aber ein Beitrag fällt aus der Reihe.
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»Ich muss Ihnen das einmal vorlesen.« Die Stimme der Leiterin zittert vor Empörung. Sie schreit fast, als sie von dem Zettel in ihrer Hand mit gerecktem Kinn liest:
»Ich sorge dafür, dass es meinem Kind gut geht.« Sie schweigt und schaut erschüttert in die Runde.
»Und«, so sagt sie, »âºmeinâ¹ ist drei Mal unterstrichen!«
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Es ist mucksmäuschenstill im Raum. Keiner wagt auch nur zu schlucken, keiner will in den Verdacht kommen, diesen skandalösen Brief verfasst zu haben. Ich unterdrücke ein Husten und schaue verstohlen um mich. Wer hat es gewagt, sich so drastisch dem Gruppenkonsens zu entziehen? Ich
vermute, es ist ein Mann. Wir Mütter sind alle abgestumpft. Wir denken gar nicht mehr daran, laut aufzumucken. Wenn sich unsere Kinder optimal entwickeln sollen, müssen wir Mütter hart arbeiten. Das haben wir alle gelernt. Und wenn wir ein Kind haben, sind wir jetzt offenbar für alle anderen mitverantwortlich. Das wundert uns dann auch nicht mehr.
Männer dagegen sind noch so frisch und unverbraucht. Die Kita-Zeit ist für sie vermutlich das erste Mal, dass ihnen mit einer ausgeprägten Erwartungshaltung begegnet wird. (Wir kennen das ja: Ein Vater muss nur mit Kinderwagen auf die StraÃe gehen und alle sind beeindruckt von so viel Einsatz.) Jetzt weht allmählich ein anderer Wind. Starke Väter braucht das Land, und zwar in Zeiten knapper Kita-Kassen, um Baugruben auf dem Spielplatz auszuheben, Klettergerüste zu schleppen und einzubetonieren oder um fachkundig den Garten zu gestalten. Manchmal dürfen sie auf Kita-Festen auch den Grill betreiben und Würstchen braten. Ein Mann kann sich jetzt ganz gemäà seinen Talenten einbringen, sofern er dem guten alten Bild eines echten Mannsbildes entspricht. Wenn nicht, wird er zurzeit noch in Ruhe gelassen. Er muss keine Bastelgruppe
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