Mutterschuldgefuehl
Nummer fünf hasst Nummer zwei und drei.
Natürlich gibt es im Einzelfall Mischformen und Sonderkategorien, aber wichtig ist: Das eigentliche Problem ist die unterschwellig Aggressive. Sie ist das Gift jeder Kita-Arbeit und der Albtraum einer jeder eingeschüchterten Mutter. Eine »Fünf« kann mit Leichtigkeit eine ganze Gruppe sprengen. Mütter dieser Kategorie bekommen schon mal gerne unvermittelt Wutausbrüche oder neigen zu fiesen Spitzen gegen wen auch immer. Manchmal sind es auch bedeutsame Blicke, mit denen sie eine andere Mutter bedenken und die wie brennende Pfeile den Rücken runterschieÃen. Jede Mutter hat Angst vor Nummer fünf, selbst die Fünfer vor den anderen Fünfern, weil sie das wandelnde schlechte Gewissen sind. Ihre Botschaft ist immer und überall:
»Ich opfere mich auf, damit es unseren Kindern gut geht! Und was machst du?«
Ich behaupte - vielmehr bemühe ich mich, es fest zu glauben; man darf die Hoffnung auf das Gute im Menschen nicht verlieren: Es gibt sehr viel weniger von ihnen, als man gemeinhin annimmt. Aber da wir Mütter stets von Schuldgefühlen geplagt sind, da wir immer glauben, nie und nimmer genug zu leisten, vermuten wir sie an jeder Ecke, diese Nörgeltanten, die einem vorhalten, wie schändlich das eigene Betragen ist. Vor allem, wenn wir uns gerade vor irgendeiner Arbeit drücken, sehen wir sie überall. Da reicht schon ein Satz einer emsigen Mutter:
»Ich bin seit Wochen mit der Flohmarkt-Vorbereitung beschäftigt.«
Und schon fühle ich mich elend und angeklagt und suche das Weite. Wer hat Angst vor Nummer fünf? (Na gut, die Nummer drei vielleicht nicht.)
Das heiÃt jetzt für mich als Kita-Zeitungs-Redakteurin, die auf der Suche nach Mitstreiterinnen ist: Es wird irgendwie so einsam um mich herum. Auf wundersame Weise galoppieren die Mütter immer eilig an mir vorbei, winken fröhlich, und schon sind sie aus meinem Blickfeld verschwunden. Hallo? Ich bin keine Fünf, ich bin nur eine harmlose Vier! Sie glauben mir nicht. Vielleicht ist es dieser grimmige Ausdruck in meinem Gesicht, wenn ich in der Kita sitze und Artikel
in den Computer hämmere, aber eigentlich mal für meinen Lebensunterhalt arbeiten wollte.
Kontrollorgan der Kita: wir Eltern
Nun hat die Elternmitarbeit in einer Kindertagesstätte nicht nur Auswirkungen auf das Ambiente unter Müttern. Sie hat zwar vermutlich weniger Effekt auf die Förderung unserer Kinder, als wir alle denken (meine Tochter findet die Kita-Zeitung auffällig langweilig). Aber sie hat einen groÃen Einfluss auf das Selbstverständnis der Eltern. Mütter und Väter, die in einer Kita aktiv mitarbeiten, fühlen sich nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, den Dingen in der Kita mal gründlich auf den Zahn zu fühlen. Sie sind eine Art Kontrollorgan. Ich mag mich täuschen, aber meiner Meinung nach sind gerade die, die sich fleiÃig einbringen, besonders kritisch. Vielleicht ist es auch manchmal anders herum: Die, die sich besonders verpflichtet fühlen, das Umfeld ihres Kindes genau zu kontrollieren, arbeiten auch gerne in der Kita mit. Das ist dann praktisch. Man sieht viel besser die Arbeit der Erzieherinnen und den organisatorischen Ablauf und hat ein Auge auf sein Kind und die Kinder, die einem ein Dorn im Auge sind.
Wie dem auch sei: Jeden Mittag trifft sich ein kleines Klübchen direkt vor dem Zaun unserer Kita und hält spontan Sitzung. Und das Thema jeder Sitzung ist im Grunde immer dasselbe: Ist unsere Kita Sackgasse oder Förderoase? Werden unsere Kinder frühkindlich gebildet oder frühzeitig verblödet?
Und da sind sie wieder, die Diskussionen darüber, wie Kinder am besten auf das Leben vorbereitet werden. Und natürlich sind sich wieder viele einig, dass es nur eine richtige Art geben kann, die Kinder zu betreuen. Nur welche das sein mag, da ist man unterschiedlicher Auffassung.
Und es ist keine gelassene Abwägung der Vor- und Nachteile, kein freundliches Gespräch über die Themen und keine wohlwollende Akzeptanz der Tatsachen. Nein, es ist eher eine Art »Hadern mit dem Schicksal«.
Jeden Mittag warte ich mit den anderen Müttern am Zaun auf die Ãffnung des Törchens. Und jeden Mittag bekomme ich schlechte Laune, wenn ich den anderen zuhöre. Stets habe ich das Gefühl, mit dieser Kita auf der Verliererseite zu stehen. Dabei genieÃt sie eigentlich einen sehr
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