Mutterschuldgefuehl
paar herzigen Vorgaben, Vorträgen und ein bisschen Taschengeld keinerlei Mittel zur Verfügung zu stellen, die dem hehren Ziel dienen könnten.
Gleichzeitig sind aber nicht nur die Staats- und Kirchenkassen leer, sondern auch die Geburtsraten sinken. Das bedeutet: Jede einzelne öffentlich finanzierte Kita kämpft um ihr Ãberleben. Sie muss sich so fortschrittlich, förderlich und nützlich für unsere Gesellschaft wie irgend möglich präsentieren, weil ihr sonst schlicht Stellen gestrichen, Gruppen geschlossen oder sogar ganz der Garaus gemacht wird.
Das hat zur Folge, dass Erzieherinnen mit einem bekanntlich sehr übersichtlichen Einkommen ausufernde Ãberstunden
leisten, immer mal abends und gerne am Wochenende, um Kita-Veranstaltungen zu begleiten und den Kindergarten und seine Wichtigkeit im Stadtteil und in der Gemeinde zu repräsentieren. Und es hat zweitens zur Folge, dass die Kitas versuchen, ihr vorhandenes Personal so gut wie eben möglich weiterbilden und -qualifizieren zu lassen und vermehrt aus dem Potenzial der Eltern zu schöpfen.
Wenn die Erzieherinnen aber nicht gewillt sind, sich bis zum Umfallen ausbeuten zu lassen, und Eltern ihr Potenzial nicht freiwillig und gratis weitergeben oder aber nicht auf dem gewünschten Niveau arbeiten, entsteht ganz schnell die Angst bei der Kita-Leitung, den Anforderungen an eine moderne Bildungsinstitution nicht gerecht werden zu können, die diese Angst oft flugs an die Erzieherinnen weitergibt und letztlich häufig bei den Eltern landet.
Zu welcher Kategorie Mutter gehörst du?
Und damit wären wir wieder bei mir und der Kita-Zeitung.
Für die Eltern mag es ein nettes Kommunikationsmittel sein, für die Erzieherinnen, die Ergänzungskräfte und ihre Leitung ist es schlichtweg ein Profilierungsorgan. Das heiÃt ganz konkret: Am Anfang freuen sich noch alle über das Blättchen, aber bald werden die Gruppenleiterinnen unruhig, wenn ihr Projekt oder ihre Gruppe keine Erwähnung auf diesen paar Seiten findet. SchlieÃlich steht die nächste Kürzungsrunde sicher irgendwann an. Viele haben keine festen Verträge, und wer wird dann wegrationalisiert? Sicher die Kraft ohne positive Schlagzeilen in diesem ach so bedeutenden Blatt!
Und so heiÃt es bald:
Â
»Frau Hartmann, wo ist denn meine Gruppe?«
»Frau Hartmann, das müssen Sie aber noch mal schreiben. Da fehlt ja das Turn-Projekt.«
»Frau Hartmann, das haben Sie ganz falsch gemacht.«
Wirklich nett. Was als hübscher Austausch unter Eltern
und Kindern gedacht war, wird immer mehr zum Ãrgernis. Ich verstehe die Erzieherinnen. Aber ich habe nur eine Mitstreiterin für die Zeitung gefunden. Es ist unmöglich, alle erfreulichen Entwicklungen, Angebote und Projekte einer derart groÃen Einrichtung in die Zeitung zu bringen. Auf der anderen Seite ist es geradezu unmenschlich, von den Frauen zu verlangen, dass sie in ihrer Freizeit auch noch Werbeartikel über ihre Arbeit schreiben sollen. Ich finde es aber ebenso ungerecht, dass ich für meine Kindergartenbeiträge als Hofberichterstatterin arbeiten soll. Das hatte ich mir anders vorgestellt.
Also setze auch ich alsbald dieses ölige Lächeln auf und spreche hier und da andere Mütter an: »Hast du nicht Lust, bei der Kita-Zeitung mitzumachen? DAS MACHT GANZ VIEL SPASS!«
Â
Bei dieser Art der Mütter-Rekrutierung heiÃt es Obacht geben! Es könnte bei der Zusammenarbeit ungemütlich werden. Nach meiner Erfahrung gibt es grob fünf Kategorien von Müttern. Kategorien, die sich auch für spätere Zeiten in der Schule als sehr treffend erwiesen haben.
Kategorie Numer eins hat Spaà an ehrenamtlicher Arbeit in der Kita und hat Zeit und macht mit. Das ist die Unkomplizierte. Diese Kategorie stirbt aus.
Kategorie Nummer zwei hat keinen Spaà und/oder keine Zeit und macht nicht mit. Das ist die Abwesende. Sie bringt und holt das Kind, saust kurz durch die Kita - und weg ist sie. Sie macht im Prinzip auch keine Probleme.
Kategorie Nummer drei hat vor allem Zeit, arbeitet aber nie mit. Auf jeden Fall ist sie beim Feiern immer dabei. Das ist die Gemütliche.
Kategorie Nummer vier hat Spaà an der ehrenamtlichen Arbeit, aber keine Zeit, und macht trotzdem mit. Das ist die Gestresste.
Kategorie Nummer fünf hat keinen Spaà und/oder keine Zeit, traut sich aber nicht, Nein zu sagen. Das ist die unterschwellig Aggressive.
Weitere Kostenlose Bücher