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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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skandalträchtige Gewalt, Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz eskalieren, weil immer mehr Kinder von Armut bedroht sind, nicht behütet werden und keine Zukunftsperspektiven sehen. 16 Prozent der ausländischen und 6,5 Prozent der deutschen Jugendlichen - so ein Bericht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung 2009 - verlassen die Schule sogar ohne Abschluss. Und seit 2006 die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln in die Schlagzeilen kam, weil verzweifelte Lehrer die Senatsverwaltung Berlin in einem offenen Brief um Hilfe baten, sind Fernsehsendungen und Berichte über die verkommenen Kinder und Jugendliche in den Hauptschulen so angestiegen, dass man glauben könnte, alle Hauptschulen seien Gettos, in denen nette Kinder und Jugendliche vom Aussterben bedroht sind.
    Die Wirklichkeit sieht anders aus. Zwar gibt es häufiger verbale Aggressionen als früher unter den Schülern und generell gibt es in den Haupt- und Sonderschulen mehr physische Gewalt als an den Gymnasien, aber Wissenschaftler betonen, dass die Gewalt an Schulen bis auf wenige Extremfälle nicht zugenommen, sondern sogar eher abgenommen hat. Doch diese Realität kommt bei den meisten Bürgern nicht an. Hauptschulen sind die Verlierer eines neuen Medien-Hypes und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Auf ihnen lastet der Ruf der Ausbildung einer Loser-Elite, und ein kleinster Verdacht reicht hier schon, um viele Eltern vor dieser Schulform instinktiv zurückweichen zu lassen. In der Folge sinkt das Niveau der Hauptschule erneut, denn nur noch die Schüler, die gar keine andere Alternative mehr finden, verschlägt es zunehmend auf diese Schulform.

    Was bedeutet das jetzt für uns Eltern angehender Grundschüler? Sehr viel. Denn da Eltern zunehmend fixiert auf das Gymnasium sind, ist man dazu übergegangen, ihnen in einigen deutschen Bundesländern das alleinige Entscheidungsrecht zu entziehen oder stark einzuschränken, auf welche Schule das Kind nach der Grundschule gehen soll. Kinder sollen einerseits nicht durch die ehrgeizigen Ziele ihrer Eltern überfordert werden, andererseits sollen sie aber auch nicht das Lerntempo der anderen, besseren Kinder drosseln. Denn es gilt ja, den Bildungsstand im internationalen Vergleich zu heben. Das heißt: Früher, als die Eltern noch selbst oder allein entscheiden konnten, ob das Kind auf das Gymnasium geht, konnten Lehrer nicht gegen den Willen der Eltern verfügen. Heute ist das in vielen Bundesländern anders und genau deshalb sind gute Leistungen der Kinder auf der Grundschule für Eltern so überaus wichtig geworden. Sie sind immer die besten Argumente, einem Kind den Übertritt ins Gymnasium zu ermöglichen, egal, wie die jeweilige Schulpolitik einer Landesregierung gerade aussehen mag.
    Gleichzeitig sitzt uns Eltern schon jetzt die G8-Reform im Nacken, der Weg zum Abitur in acht Jahren, die die Schulzeit auf dem Gymnasium um ein Jahr verkürzt, ohne die Lehrpläne bisher entsprechend verschlankt zu haben. Wir hören es von Bekannten und Freunden, deren Kinder auf dem Gymnasium sind. Wir sehen es in den Medien. Es sitzt uns in den Knochen wie ein böser Virus: Wer nicht schon bestens vorbereitet auf das Gymnasium kommt, droht aus dem Leistungskarussell dieser Schulform schnell wieder herauszufliegen.
    Â»Die mustern nach zwei Jahren rigoros aus«, munkelt es unter den Eltern. »Da überleben nur die Besten«.
    Sorgenvoll legen wir unsere Stirne in Falten. Und verstehen schnell. Es geht nicht nur darum, schöne Noten zu ernten. Noten sind subjektiv, willkürlich und dem jeweiligen Niveau einer Schulklasse angepasst. Das wissen wir alle. Es geht vielmehr darum, dass diese Noten Substanz haben und von einer Schule zur nächsten gültig bleiben.

    Die Frage ist also: Wo finde ich die Grundschule, auf der mein Kind so gute Noten schreibt, dass ihm nicht nur keiner mehr das Gymnasium verwehren kann, sondern es auf dem Gymnasium auch erfolgreich bestehen kann? Wo hat mein Kind den bestmöglichen Start?
    Wie sehr man sich aber auch in Schulprogramme und -konzepte vertiefen mag - es ist vertrackt, die beste aller möglichen Schulen zu finden. Denn letztlich hängt alles vom jeweiligen Lehrer und den Schulkameraden ab. Ein fruchtbares Arbeitsklima kann man nicht unbedingt vorhersehen. Für mich sehen alle Schulen in unserem bunt gemischten Stadtteil irgendwie gleich aus. Die Klassengröße ist überall

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