Muttersohn
sagte er: Für heute reicht’s. Vielleicht noch diese Petitesse: Augustin wird, was hier auf der Insel entsteht, leiten.
Jetzt, schaut ihn euch an! Seht ihr die Zungenspitze zwischen seinen Lippen. Das heißt: Er macht mit.
Der Professor: Nur weil ich nicht weiß, was.
Und Müller-Sossima: Genau. Und trank aus und stand auf und umarmte den Professor. Ohne den, sagte er dann, wär’ ich ja auch nicht hier.
Als er draußen war, setzten sich die fünf wieder.
Der Professor: Luigi, du wirst weiterstudieren. Aber du, Massimo, kannst, wenn du willst, nächste Woche nicht nur die Geißen bringen, sondern auch Kirki. Ihr könnt hier bleiben. Modest will es. Ich will es.
Massimo brachte heraus: In einer Woche werde er nicht nur die Geißen bringen, sondern auch Kirki. Alle applaudierten. Dann gingen die zwei. Der Professor sagte, was er vorhabe, hier vorhabe, werde seinen Freund Modest nicht stören. Mehr wollte er jetzt nicht sagen.
Percy sagte: Zum Wohl. Und trank aus.
Innozenz sagte, er habe auch etwas vor. Hier. Er müsse zugeben, dass Herr Müller-Sossima in ihm eine Idee geweckt habe, von der er jetzt glaube, sie sei schon immer in ihm gewesen, schlummernd, darauf wartend, geweckt zu werden. Das sei heute geschehen. Durch Modest Müller-Sossima. Ja, Freunde. Auf dieser Insel könne er sein Projekt zu dem Ende führen, zu dem es immer unterwegs war. Er füge sich einer Tendenz, die er allmählich begriffen habe. Sie sei sozusagen epochenimmanent. Er sei nur derjenige, der sie erspürt habe und der ihr deshalb zum Durchbruch verhelfen müsse. Diese Tendenz habe sich bei seiner Arbeit an der Scherblinger Anthologie entwickelt. Jetzt sei sie wirklichkeitsreif und habe ab heute einen Namen: Oblomov. Es müsse nicht gleich XIV sein. Er werde über das Internet weiter Manuskripte fordern von allen, die bereit und fähig seien zu schreiben. Aber er werde bekanntmachen, dass er diese Manuskripte dem Schredder übergebe. Den wolle er hier auf der Insel etablieren. Der wird aber nicht Schredder und schon gar nicht Reißwolf heißen, sondern Oblomov. Und er sei sicher, dass sich diese Idee, für Oblomov zu schreiben, durchsetzen werde. Er vertraue, dass diese Idee Echos produzieren werde in jedem, der ein bisschen Erfahrung habe. Und diese Echos, sagte er dann abschließend, führen zu Oblomov. Und in die ehrwürdigste Urne. Auf der steht immer der Name des Verfassers, der Titel des Werks und das Datum der Oblomovisierung.
Ich folge dir, Innozenz, sagte der Professor.
Percy konnte jetzt nicht wie Innozenz mit einem Plan aufwarten, der eine Steigerung des Bisherigen war. Er sagte: Der Professor ist Gott sei Dank wieder der Professor. Vielleicht noch leiser, noch leichter, noch federnder als je, also noch mehr der Professor als je.
Und Innozenz: Das Feinstlein-Stadium ist erreicht.
Und Percy: Ich habe nur ein Bedürfnis.
Und Innozenz: Sag’s.
Das Unwillkürliche, sagte Percy, zur Geltung bringen.
Wir sind gespannt, sagte der Professor.
Percy sagte: Ich auch.
3.
Als Percy im Bett lag, dachte er: Und wenn jetzt einer von den zweien dein Vater wäre? Sobald er das dachte, spürte er eine Art Zärtlichkeitsaufwallung. Und stellte sich vor, ein Vater müsste überhaupt nichts sagen. Und er, der Sohn, genauso wenig. Bei einem Vater könnte man stumm sein. Und dachte an das Scherblinger Schweigen. Wenn er und der Professor eine unmessbare Zeit lang nichts sagten, und keiner wartete darauf, dass der andere etwas sage. Diese Gemeinsamkeit beim Schweigen war vorbei. Das war Scherblingen. Der Professor war nicht mehr sein Professor! Und tat auch gar nicht so, als sei er es noch! Er war anders, als er gewesen war! Er war nicht fremder. Aber schwerer. Weniger gegenwärtig. Percy spürte, dass es nicht so war, wie er vorher gesagt hatte. Der Professor ist wieder der Professor, hatte er im Stimmungsübereifer dahingesagt. Und Innozenz hatte es gleich fixiert. Es stimmte nicht. Der Professor wirkte alles andere als leichter. Leiser schon. Aber federnder nicht. Das passierte oft genug, dass Percy sich Männer, die ihn beeindruckten, als Vater wünschte. Er fand sich immer wieder dabei, sich diesen und jenen Mann als seinen Vater vorzustellen. Pfarrer Studer zum Beispiel. Er musste sich dann beherrschen, dass derjenige das nicht bemerkte. Eine Art schnelle Verliebtheit war das. Manchmal ging sie schneller, manchmal langsamer vorbei. In Scherblingen war natürlich der Professor sein Vater. Keiner vor ihm war so lange sein Vater
Weitere Kostenlose Bücher