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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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unwillkürlich leichter fühlt als man ist. Und auf ihre Art sei ja diese Elsa Frommknecht auch ein Engel. Mit der zu musizieren, da könnten sogar ihr noch Flügel wachsen.
    Und Elsa Frommknecht schrieb, sie sei ihm dankbar. Sie habe in ihrem Leben mehr Pläne aufgegeben als realisiert. Und plötzlich diese Wende, dieses Angebot, diese Möglichkeit. Frau Sofja sei ihr vorgekommen wie eine Schwester. Es war, als hätte man auf einander gewartet. Sie rechne allerdings damit, dass dieses Traumgefühl plötzlich vernichtet werden könnte durch die Routine namens Realität. Aber vorerst lebe sie noch in dem Gefühl, es sei mehr möglich als je zuvor.
    Elsa kam und überraschte alle. Auch Percy. Sie ließ die Akademie aufleben durch ihre bloße Gegenwart. Ihr Ruf war schon über den Südwesten hinausgedrungen, hinüber ins Elsass und in die Schweiz. Es war, als müsse sie nur wissen lassen, dass sie jetzt da sei, in dieser Akademie. Das allein zog Musikbedürftige an. Und sie machte aus allen Bedürftigen Mitwirkende. Das machte sie durch nichts als Gewähren. Jedem helfen, das zu sein, was er sein wollte. In der Musik. Durch die Musik. Und kann nur noch von ihrem Projekt sprechen.
Der Abend
. Von Richard Strauss. Text von Schiller. Ein für ihre bisherigen Bedingungen zu hohes Projekt. Nur noch Stimmen. Das Singen selbst. Die Schwingung als sie selber. Endlich kein Orchester mehr. Die Instrumente haben sie immer gestört. Nie mehr Instrumente! Nur noch Gesang. Die Seele selbst. Sie braucht dazu Männer und Frauen, die sich aufgegeben haben. Wer das hört, kehrt nicht zurück. Der bleibt. Es findet statt die Erhörung. Dazu ist sie auf die Insel gekommen. Nur dazu.
    Und holte Sandra auf die Insel. Sandra muss die hereinflutenden Angebote und Anfragen bündeln und beantworten. Und sie muss, sagt ihre Mutter, ein Musikarchiv gründen, in dem alles Getane und alles zu Tuende jederzeit benützt werden kann.

13.
    Massimo hatte sich in die von Ewald Kainz hinterlassene Wegleitung eingearbeitet. In Tafern scharf nach rechts hinauf. Zweimal fuhren sie vorbei an der Abzweigung. Dann aber hinauf, auf einem immer enger und unebener werdenden Weg, zuletzt prasselten die Steine von unten gegen das Auto. Percy fragte, ob Massimo sicher sei, dass dieser Weg noch irgendwohin führe. Ich glaube, sagte Massimo. Sobald der Wald anfängt, steil hinauf und sofort rechts hoch, und wir sind drin, sagte er. Und so war es. Es war eine Lichtung, die mehr am Wald entlang als in ihn hinein führte. Eine Schranke, hochgezogen, dann eine gewaltige Mauer aus gesägten Stämmen, Feuerholz für viele Winter, jetzt war auch der Weg plötzlich viel besser gerichtet. Sie waren da. Und hatten vor sich ein hufeisenförmig angelegtes Holzbauwerk, die beiden vorspringenden Bauteile schwarz gestrichen, der sie verbindende Teil weiß. In dem so entstehenden Hof drei Fahnenmaste. An allen Masten wehten schwarze Fahnen. Auf den Fahnen links und rechts in großen weißen Buchstaben:
     
    THE JOLLYNECKS
    Austrian Action
     
    Die Fahne am mittleren Mast zeigte im Zentrum ein Feld, kreisförmig, in Weiß, und oben um das Feld bog sich auch die Schrift The Jollynecks. Das aber in goldener Schrift. Und im weißen Feld wieder in Schwarz eine Figur, die nichts anderes als ein gereckter Mittelfinger sein konnte. Unter dem weißen Kreis bog sich die Schrift AA 1, German Charter Chapter 7. Und im Halbkreis um die drei Maste Motorräder. Ein Halbkreis aus Blinken und Blitzen. Ohne dass Percy gleich wusste, warum, kam ihm dieser Motorrad-Halbkreis militärisch vor. Vielleicht weil die Maschinen diszipliniert aufgestellt wirkten. Und außerhalb des Hufeisens unter einem Parkdach ein Auto. Als Massimo sah, dass Percys Umherschauen bei diesem Auto angekommen war, sagte er: Lancia. Percy machte eine Geste. Massimo solle zu diesem Auto hinfahren. Massimo sagte, das hätte er ohnehin getan. Das sei die einzige Stelle, an der hier ein Auto möglich sei.
    Als Massimo aussteigen wollte, sagte Percy: Halt, halt! Er wisse jetzt nicht, ob sie schon bemerkt worden seien, aber das hier hat mit Ewald Kainz und German Insiders und Frei-Chor nichts zu tun. Wir warten eine Minute, wenn sich dann niemand zeigt, sind wir nicht bemerkt worden und können abfahren und überlegen, was an dieser Wegleitung nicht stimmt. Da rollte aber schon das Tor auf dem rechten Vorbau zur Seite und heraus traten mehrere junge Männer. Sie blieben auf der Rampe stehen. Links und rechts führten von dieser Rampe

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