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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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sollen. Sie hat die Namen gekannt. Jetzt weiß ich die Namen. Jetzt ist es zu spät.
    Percy: Sag die Namen.
    Massimo sagte: Kirki, sag du sie.
    Kirki sagte ohne Mühe: Gangganhar. Sarenchagan. Hurdenhulan.
    Percy sagte: Wir werden sie uns merken.
    Sie tranken und sagten einander Sätze, die Augustin Feinlein gesagt hatte.
    Massimo sagte: Quetschmutter. Ja, kein Mensch in Deutschland hätte für ihn herausgebracht, was das ist. Quetschmutter. Der Professor schon. Massimo hat sich in Scherblingen nicht getraut, den Flaschner, der Quetschmutter gesagt hat, zu fragen, was das heißt oder ist. Der Professor hat die Industrie- und Handelskammer angerufen und hat erfahren: Eine Mutter auf einer Schraube für ein bewegliches Teil wird, dass sie sich nicht mehr bewegt, auf einer Seite gequetscht. Der Professor hat gesagt, er verstehe das nicht. Massimo hat es ihm dann erklären können.
    Percy notierte in Gedanken diese Sätze mit. Auch die, die ihm selbst einfielen.
    Als sie gingen, bedankte sich Percy bei der Bedienung, gab ihr die Hand und sagte: Wie heißt du? Eva Maria, sagte sie. Da sagte er: Bis bald.
    Als er dann, spät genug, in seine Zimmer wankte, setzte er sich an den Arbeitstisch und schrieb. Jetzt auf einmal konnte er fixieren. Sätze, die von Augenblicken zeugten. Jetzt war’s keine Trivialisierung der Augenblicke mehr. Ob das mit dem Tod zu tun hatte? Hatte er sich nicht einfach hingesetzt und Müller-Sossima-Sätze aufgeschrieben, sobald der tot war!
    Er wusste nur, dass er alles tun würde, was er konnte, um Feinlein-Sätze zu retten. So wie sich Feinlein nach Pfarrer Weimers Urteil die kindliche Seele gerettet hat, so musste er Feinlein-Sätze retten. Er würde nicht liegen und schlafen können, solange er nicht versucht hatte, Feinlein-Sätze zu retten. Also, hingesessen und hingeschrieben:
    Feinlein-Sätze.
    Man muss die Heiligen anschreien, wenn sie nicht helfen. Dann helfen sie.
    Und mehr als einmal hat er Adolf Wölfi zitiert: Wenn mich alle Hund’ hetzen, steigen wir hinauf zu Gott.
    Du bist weiter weg von mir als ich von dir. Zum Glück.
    Ich habe nicht den mindesten Einfluss auf mich.
    Unendlich viele Verführungen zur Unwahrheit. Nicht eine einzige zur Wahrheit.
    Wir können den Himmel verderben. Erobern können wir ihn nicht.
    Die Klinik: Zerstörung ohne Heilung.
    Glauben, ein Lied ohne Worte.
    Die eine, die mir alle anderen verbietet.
    Wer sich nicht sehnt, lebt nicht.
    Hass wird leichter verstanden als Liebe.
    Am tiefsten Punkt zu sein wäre schön, wenn es keinen tieferen gäbe.

12.
    Es wurde ein Brief, vierzehn Seiten lang, den Percy Massimo mitgab, dass er ihn Elsa Frommknecht übergebe. Der Brief verdankte seine ungestüme Lebhaftigkeit der Stimmung, die Percy beherrschte, seit ihm das eingefallen war: Elsa muss die Leitung der Akademie für Unvollendete übernehmen. Es gibt keine Zufälle. Und was sich in ihm zusammenfindet, verpflichtet ihn, ja zwingt ihn dazu, ihr diesen Brief zu schreiben, ihr diesen Vorschlag zu machen. Er schildert ihr alles, was er erfahren hat, so, dass alles auf den Vorschlag hinausläuft: Sie muss die Akademie für Unvollendete leiten. Und sie muss, wenn sie, was geschehen ist, auf sich wirken lässt, sehen, dass sie die Person ist, auf die alles zuläuft, was hier und dort in den letzten Jahren geschehen ist. Deshalb ist, was er ihr hier als Bitte oder als Vorschlag vorträgt, alles andere als ein Einfall, es ist einfach das, was von ihm erwartet werden kann.
    Wer außer ihm hat gelesen, was Ewald Kainz über Elsa Frommknecht geschrieben hat! Dass sie davon nichts mehr wissen will, wagt er zu verstehen. Aber er, Percy, darf nicht so tun, als habe er das nicht gelesen. Ihm hat es Ewald Kainz anvertraut. Weil es keine Zufälle gibt, und weil alles, was geschieht, als Verdeutlichung erlebt werden darf, ist nichts so sinnfällig und notwendig wie Elsa Frommknechts Fahrt auf die Insel Rheinau. Die Akademie für Unvollendete wirkt nämlich jetzt durch alles, was geschehen ist, als eine Art Bitte an Elsa Frommknecht. Wenn es ihm nur gelungen ist, ihr vorzustellen, was alles geschehen ist, dann hat er keinen Zweifel, dass sie sich dieser Aufgabe stellt. Manchmal muss man merken, was das Leben von einem will. Es gibt Geschehnisdeutlichkeiten, denen man sich nicht verschließen darf. Da genügt es, Ja zu sagen zu dem, was fällig ist. Er würde ihr Ja hier in der Schweiz mitteilen, das heißt Frau Müller-Sossima alles mitteilen, dass sie in der Deutlichkeit dieses

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