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Muttertier @N Rabenmutter

Muttertier @N Rabenmutter

Titel: Muttertier @N Rabenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nives Mestrovic , Sonja Liebsch
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im Lebenslauf auf der ersten Seite gesichtet hat?«, proletete ich ins Telefon. Der verstörte Personalleiter legte einfach auf. Wie professionell. Die Entscheider in der heutigen Zeit sind alles Pappnasen.
    Ich verlor die Lust, mich weiter zu bewerben. Das hatte einfach keinen Sinn. Zudem schob ich mittlerweile so schlechte Laune, dass es sogar Franziska zu spüren bekam. Bei jeder Kleinigkeit keifte ich sie sofort an. Und das war es mir nicht wert.
    »Scheiß auf den Job. Mir reicht’s!«
    Lieschen hatte eine bemerkenswerte Antenne für meine Stimmungslagen. Immer dann, wenn es mir besonders schlecht ging, lud sie mich zum Essen in ihre Wohnung ein. Sie hatte die Einstellung, dass man wichtige Entscheidungen an einem anderen Ort treffen sollte als an dem, wo man sich eigentlich wohlfühlte.
    »Mit ene volle Buk sieht dat Leve schon besser ut …«, sang sie vor sich hin, als sie mir dieses Gladbacher Möhrengemüse vorsetzte. »Muhrejubbel, probier mal, würd dir juttun!«
    »Hab keinen Hunger«, sagte ich bockig wie ein kleines Kind. Franziska stopfte sich indes einen vollen Löffel in den Mund und schmatzte mir ins Ohr: »Hmmm, lecker. Probier doch mal, Mama!« Beim Wort Mama fiel ihr wieder die Hälfte aus dem Mund. Ich musste lachen. Wir alle lachten und ich aß.
    »Die ganzen Bewerbungen bringen nichts. Ich habe mich wirklich auf alles beworben. Teilzeit. Vollzeit. Stellen, die meiner Qualifikation entsprechen. Stellen, die eigentlich nichts für mich sind. Sekretariat, Telefonakquise, Übersetzungsservice. Sogar bei McDonald’s habe ich vorgesprochen. Es ist zum Verrücktwerden. Entweder wurde ein anderer Kandidat ausgewählt oder mir wurde erklärt, dass ich überqualifiziert sei«, beschwerte ich mich.
    »Ach, överqualifiziert zum Jeld verdiene?«, fragte Lieschen. Ich musste wieder lachen, obwohl mir zum Heulen zumute war.
    »Jut, Kint, dann brauchen wir ene andere Strategie! Du mäkst disch jönger, bis kindlos un mittelmäßisch qualifiziert – dat hat minne Tochter auch so jemacht! Wir beide checken jetz mal den Arbitsmarkt ab«, grinste sie verschwörerisch.
     
    Die neue Strategie war allerdings auch nicht erfolgreicher. Es war wie verhext. Ich tauschte sogar mehrmals die Bewerbungsfotos aus. Ich peppte meinen Schreibstil auf und ich begab mich in die Offline-Welt. Ja, ich druckte tatsächlich meine frisierten Lebensläufe aus, klebte die geschönten Fotos drauf, heftete die Unterlagen liebevoll in Bewerbungsmappen und verschickte sie für teures Geld an die Personalabteilungen der Firmen. Das Resultat blieb unverändert: Erfolglosigkeit auf ganzer Linie.
    »Ich werde verrückt, wenn das so weitergeht! Wozu habe ich eigentlich studiert, wozu spreche ich so viele Sprachen, wozu war ich im Ausland?«, jammerte ich. »Ich wünschte, ich wäre tot«, platzte es aus mir heraus.
    »Jetz is äver Schluss.Wir reißen uns alle nun mal janz fein zusammen und überlegen, wat wir vielleisch nicht in Betracht jezogen hann«, erwiderte meine ältere Freundin mit einer Ruhe, die mich noch wilder machte.
    »Was denn? Telefonsex oder Prostitution? Oder bin ich dafür auch überqualifiziert?«, schrie ich.
    Mit großen Augen schaute mich Lieschen an und sagte gelassen: »Telefonsex, warum net?« Eine Sekunde waren wir beide still, und es war beinahe so, als ob wir gleichzeitig die Luft anhielten. Dann fingen wir an zu lachen. Hemmungslos und immer lauter. Bald tat mir mein Bauch weh, aber es war befreiend. Ich krümmte mich, warf mich auf den Boden, kriegte mich für bestimmt zehn Minuten nicht mehr ein. Lieschen war meine Quelle mit Glückshormonen. Sie wusste genau, wie sie meine Stimmung beeinflussen konnte, und sie nutzte dieses Wissen. Dafür war ich ihr unendlich dankbar.
    Wir konnten uns lange nicht beruhigen und witzelten über den Telefonsex-Job. »Hallo, isch bin dat Schantall, wie kann isch disch jlücklich mache?«, hauchte Lieschen mit einem lasziven Lächeln, und ich lachte Tränen. »Ja, du bis am lache, äver isch han dat im Fernseh jesinn, da bei 666 33 666, rop misch aan«, klärte sie mich auf.
    »Okay Lieschen, aber jetzt mal im Ernst, was soll ich denn noch machen? Mir fällt echt nichts mehr ein.«
    »Jut, dann wirste wohl in de saure Apfel biete mösse und beim Arbeitsamt Hallo sagen.« Ich wollte ihr nicht widersprechen.
     
    Ich machte mich auf und meldete mich arbeitsuchend.
    »Wollen Sie Leistungen beantragen?«, war das Erste, was mich die Dame am Empfang fragte. »Natürlich, nicht«,

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