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Muttertier @N Rabenmutter

Muttertier @N Rabenmutter

Titel: Muttertier @N Rabenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nives Mestrovic , Sonja Liebsch
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wir nicht mehr stundenlang miteinander telefonierten, sondern uns nun seitenlange E-Mails schrieben.
    So etwas nennt man wohl Schicksal. Und Glück! Dabei hatte es noch vor ein paar Monaten richtig mies für mich ausgesehen.
     
    Nach Marcs Tod war ich nicht fähig gewesen zu denken, zu arbeiten schon mal gar nicht. Wir waren weder verheiratet, noch waren wir als Lebensgemeinschaft eingetragen. Ich stand da ohne Einkommen und ohne Anspruch auf Witwenrente. Nach einer fast sechsmonatigen Trauerphase hatte Lieschen versucht, mich ins wahre Leben zurückzuholen.
    »Hanna, wie wör et, wenn du disch ens bewerbe dings?«, fragte sie, während sie mir nachgoss. Lieschen hatte uns zum Kaffee eingeladen. Sie backte göttlich und ich liebte ihre Kuchen. Wahrscheinlich schmeckten diese so fantastisch, weil sie Unmengen von Butter enthielten, was Lieschen mit Sprüchen wie »Mer sin ja he net wie bei arme Lütt!« oder »Mer sin ja nimmer im Kriesch!« zu kommentieren pflegte. Sprüche, die ich mittlerweile auch von Franziska zu hören bekam, wenn sie nach mehr verlangte. Bei Lieschen wurde nicht gespart. Als ihr Mann gestorben war, hatte sie einfach unter ihren Kindern und Enkeln das Erbe verteilt. »Man levt nur eenmal un du weest nie, wann et vorbei is, wozu noch spare? Ihr könnt damit machen, wat ihr wollt, äwer mier han isch net!« Mit diesen Worten hatte sie es geschafft, der versammelten Verwandtschaft Tränen in die Augen zu treiben. Ihre Tochter hatte so hemmungslos geweint, als ob Lieschen ihrem Mann bereits ins Grab gefolgt wäre. Zweifellos waren die Tränen echt, denn sie alle liebten sie ehrlich und konnten sich ein Leben ohne ihr Familienoberhaupt genauso wenig vorstellen, wie ich es heute kann. Trotzdem könnte ich mich jedes Mal kaputt lachen, wenn Lieschen diese Story zum Besten gibt.
    »Aber wofür soll ich mich denn bewerben?« Ich hatte das Gefühl, alles, was ich konnte, vergessen zu haben. »Ich bin alleinerziehend, da draußen wartet niemand auf mich!«
    »Mätsche, dat wird schon, schau mal he.« Sie hielt mir die Rheinische Post unter die Nase. Klar, da waren interessante Stellen, aber Vollzeit konnte ich nicht arbeiten. Wo sollte ich mit Franziska hin? Die Kita hatte nur bis 16.30 Uhr geöffnet, und es gab hier in Mönchengladbach und Umgebung keinen Vollzeitjob, der sich damit vereinbaren ließ. Und mit einer Teilzeitstelle hätte ich kaum die Wohnung bezahlen können.
    »Dann meld disch doch bem Arbeitsamt!«, schlug Lieschen vor.
    »Ich glaube nicht, dass die einen Job für mich haben. Es gibt so viele super qualifizierte Singles, die auch keine Arbeit finden. Ich habe gar keine Chance!«
    Lieschen sagte nichts. Sie wusste, wie es in mir aussah.
     
    Unser Gespräch ging mir nach. Und weil ich mich Lieschen verpflichtet fühlte, fing ich an, Bewerbungen zu schreiben. Ich entschied mich für die Online-Variante. Ich bewarb mich bei Unternehmen, die meine Unterlagen auch in digitaler Form akzeptierten, denn mittlerweile musste ich gut mit meinem Geld haushalten. Unser Auto hatte ich verkauft. Davon und vom Ersparten zehrte ich. Ich wollte mich nicht beim Amt melden. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und Lieschen verzichtete auf die Miete. »Dat Hus is avjezahlt, isch han ene sehr jute Rente, de angere Mieter zahle brav, Kint, isch nimm dinn Jeld net«, bestimmte sie, als ich ihr gebeichtet hatte, dass ich den Wagen verkauft hatte. Lieschen war richtig sauer auf mich, dass ich nicht rechtzeitig Bescheid gegeben hatte. Ich konnte es kaum glauben. Wer tut so etwas für dich, in der heutigen Zeit? Wahnsinn! Lieschen rettete mich täglich, seelisch und finanziell. Sie war mein Engel.
    Und den brauchte ich dringend. Denn was folgte, war ein hochgradig frustrierender Bewerbungsmarathon. Ebenso euphorisch wie naiv hatte ich anfangs alles wahrheitsgemäß aufgelistet: meine Ausbildung, meine Berufserfahrung, meinen Familienstand, meine Lebenssituation. Monate vergingen, doch die Ausbeute war niederschmetternd. Wenn ich überhaupt eine Antwort erhielt, war es eine Absage. Die Krönung war das Schreiben einer Mönchengladbacher Bank:
     
    ›Sehr geehrter Herr Duplancic, wir haben Ihre Bewerbung gelesen und müssen Ihnen mit Bedauern mitteilen, dass wir uns für einen anderen Kandidaten entschieden haben …‹
     
    Eigentlich habe ich eine hohe Frustrationstoleranz, aber an diesem Tag rastete ich total aus. »Welcher Idiot hat meine Bewerbung gelesen, wenn er noch nicht einmal mein Bild

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