Muttertier @N Rabenmutter
in schwarzem Rock und weißer Bluse öffnete leicht entnervt von dieser ungeduldigen Klingelei die Tür.
»Mein Name ist Maxi Anders. Ich habe einen Termin mit Frau Haustein. Tut mir leid wegen der Klingel. Ich wusste nicht …«
»Kommen Sie herein und legen Sie ab. Frau Haustein erwartet Sie im Fitnessraum«, unterbrach die Hausangestellte mein Gestammel. Wo erwartete mich die gnädige Frau? Im Fitnessraum? Wollte sie meine körperliche Konstitution testen, um sich ein Bild darüber machen zu können, ob ich einem Kindergeburtstag gewachsen war? Was waren denn das für Methoden? Kurz überlegte ich, ob ich die vielleicht letzte Möglichkeit zur Flucht wahrnehmen und das Haus verlassen sollte. Aber das konnte ich Andrea nicht antun. Sie hatte sich für mich eingesetzt und musste die nächsten Jahre in guter Nachbarschaft mit den Hausteins auskommen. Also fügte ich mich meinem Schicksal und folgte dem Hausmädchen in den Fitnessraum.
Das Zimmer war durch die raumhohe Fensterfront sehr hell. Auf dem weichen hellblauen Teppich war nicht der kleinste Fleck zu sehen. Vermutlich war dieser Raum für Lennart und seine Freunde tabu. Cindy trainierte auf dem Laufband und verfolgte auf einem riesigen Flachbildschirm, der an der Wand befestigt war, parallel Aktienkurse bei n-tv und die Musikcharts bei VIVA. Bis zu diesem Tag hatte ich weder gewusst, dass es Fernseher in solcher Größe gibt, noch, dass man auf einem einzigen Bildschirm zwei verschiedene Sender gleichzeitig sehen kann. Neben dem Laufband gab es noch einen Crosstrainer, ein Fahrrad, eine Ruder-sowie eine Hantelbank. In einer Ecke des Raumes befand sich eine kleine Bar. Dahinter stand nun das Hausmädchen und mixte Getränke.
»Hallo Cindy«, sagte ich und blieb etwas unsicher in etwa einem Meter Abstand vom Laufband stehen.
»Oh, hallo Maximiliane. Schön, dass du es einrichten konntest«, erwiderte Cindy meinen Gruß, ohne ihr Training zu unterbrechen. Den Blick hielt sie weiterhin auf den Großbildschirm gerichtet. Ich fragte mich, ob sie sich auf die Börsennachrichten oder Lady Gaga konzentrierte.
»Ich heiße nur Maxi. Zu mehr hat’s bei meinen Eltern nicht gereicht. Vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst. Lennart hat also bald Geburtstag?«
»Ist die nicht total geil? Mein Schnäuzelchen sagt zwar immer: Cindy, die ist nicht halb so geil wie du, meine wilde Rassestute, aber ich finde die Frau ist der Hammer.«
»Oh, du stehst auch auf Carola Ferstl?« Ich versuchte, die Atmosphäre mit einem Scherz etwas aufzulockern. Natürlich war mir bewusst, dass Cindy nicht von der n-tv-Moderatorin schwärmte.
»Wer soll das denn sein? Kennst du Lady Gaga nicht?« Mit einem Gesichtsausdruck, der aussah, als wollte sie sagen ›Wahrscheinlich rasierst du nicht mal deine Beine‹, starrte sie mich entsetzt an. Wenigstens war es mir gelungen, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Sie stieg vom Laufband und tupfte mit einem blütenweißen Frotteehandtuch den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn. Sie bedeutete mir, ihr zur Bar zu folgen und auf einem der stylischen Hocker Platz zu nehmen. »Danke, Henriette«, sagte sie zu dem Hausmädchen, nahm zwei Longdrinkgläser, die Henriette vorbereitet hatte, und reichte mir eins. »Hier, probier mal. Das ist ein super Protein-Schocker.« Ich war nicht sicher, ob mein Magen einem super Protein-Schocker gewachsen sein würde, wollte aber nicht unhöflich sein und nahm einen Schluck. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas so Ekliges zu mir genommen hatte. Der Drink bestand aus einer widerlichen Mischung nicht definierbarer Zutaten. Als ich mein Glas abstellte, bemerkte ich, dass Cindy ihres in einem Zug geleert hatte. Die Frau schreckte wirklich vor nichts zurück.
»Schmeckt interessant. Was ist denn da drin?« Ich hoffte, dass Cindy keine verbotenen Muskelaufbaupräparate verwendete.
»Gut, gell? Das ist das Geheimrezept von Arni. Ich hab ihn in L.A. auf einer Party kennengelernt, und da hat er mir verraten, dass er diesem Drink seine Karriere verdankt. Natürlich darf ich dir das Rezept nicht weitergeben, das ist top secret, ist ja klar. Nur so viel: Die geheime Zutat ist Erdnussbutter! Was sagst du jetzt? Da wärst du nicht drauf gekommen, stimmt’s?« Leichter Brechreiz stieg in mir hoch. Ich hasste Erdnussbutter. Sie war eklig braun und sah aus wie schon mal gegessen. Ich hatte doch gleich gewusst, dass Cindy an Perversität kaum zu überbieten war. Was mich richtig ärgerte war die
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