Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
18 Jahre. Da geht es nicht nur darum, dass ein Babysitter organisiert werden muss, wenn man auf eine Party gehen will. Viel unheimlicher ist die schier unübersehbare Dauer dieses Engagements. Ein Job kann gekündigt werden, eine Beziehung beendet – ein Kind hat man ein Leben lang am Bein. Menschen, bei denen im Gästezimmer noch die »He-Man«-Sammlung oder die Kiste mit den Barbiepuppen steht, haben Angst, sich dieser Anforderung zu stellen. Sie zögern mit dem Kinderkriegen, bis es zu spät ist.
Die Generation der Nichterwachsenen übernimmt also weder für ihr Handeln noch für ihre Meinung oder Gefühle die Verantwortung. Im Gegenteil: Sie wird abgegeben wie eine heiße Kartoffel. Die Scheu vor Verantwortung ist die Scheu vor dem Erwachsenendasein. Mutti-Kinder mussten nie Verantwortung für etwas übernehmen – außer jene, es Mutti bequem zu machen. Mutti hat alles organisiert, alles entschieden. Das Kind musste sich nur an die von Mutti aufgestellten Regeln halten, dann klappte alles wunderbar.
Mutti-Republik Deutschland
Dieses Muster der Verantwortungslosigkeit ist bei uns an verschiedensten Stellen sogar institutionalisiert. Jede Form von Transferleistung ohne Gegenleistung gehört dazu, beispielsweise der Länderfinanzausgleich. Das Prinzip dahinter: Wirtschaftet ein Bundesland schlecht, wird das Defizit von den reichen Nachbarn ausgeglichen. Punkt.
Die Geberländer sitzen im Süden der Republik, die anderen nehmen das Geschenk gerne an – und ändern nichts. Dazu sieht das System ja auch keinen Anreiz vor. Das Musterländle Baden-Württemberg und Hessen haben seit 1950 noch nie Geld aus dem Topf erhalten. Baden-Württemberg hat seither inflationsbereinigt über 65 Milliarden Euro an die Nehmerländer überwiesen, Hessen knapp 54 Milliarden. Niedersachsen, Berlin, Schleswig-Holstein, das Saarland, Rheinland-Pfalz und alle neuen Bundesländer haben noch nie auch nur einen Cent in den Topf gelegt. Niedersachsen hat seit 1950 inflationsbereinigt über 40 Milliarden Euro kassiert. Es sind also gewaltige Summen, die umverteilt werden. Hat sich dadurch irgendetwas verändert? Außer in Bayern, das sich von einem agrarischen Nehmerland zu einem von Hochtechnologie geprägten Geberland entwickelte, hat sich über 60 Jahre Länderfinanzausgleich nichts an den Verhältnissen geändert. Und genau das ist typisch für Mutti-Systeme: Es bleibt alles, wie es ist.
Eine andere Spielart des ewig Gleichen ist die Subventionitis. Das ist so etwas Muttihaftes! Einmal Subventionen, immer Subventionen. Die Wirkung einer Subvention ist ja geradezu systemimmanent, den Missstand zu zementieren, Eigenverantwortung zu eliminieren und das ganze System einzufrieren. Ob alternative Energien, Biotreibstoff, Solidaritätsbeitrag oder die industrielle Landwirtschaft. Wer versucht, Subventionen abzubauen, kämpft gegen eine Hydra, der für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue nachwachsen. Jedes Mal wird etwas aufgepäppelt, das auf sich gestellt nicht lebensfähig wäre – und durch die Subventionen auch gar nicht lebensfähig werden muss.
In manchen Bereichen der Wirtschaft existiert gar kein offener, ehrlicher Wettbewerb. Links und rechts verteilt der Staat fürsorgliche Garantien: Wenn etwas schiefgeht, übernehmen wir eure Schulden. Es ist immer das gleiche Muster. Wie zum Beispiel in der Bankenkrise. Als der Bankenrettungsfonds Soffin 2008 eingerichtet wurde, war noch davon die Rede, dass auch im schlimmsten Fall die Verluste 20 Milliarden Euro nicht übersteigen würden. Allein im Jahr 2011 hat der Fonds mit einem Verlust von 13,1 Milliarden Euro abgeschlossen. Insgesamt sind in diesem Loch bereits 22,1 Milliarden versenkt worden. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Gutes Geld schlechtem nachzuwerfen wird von Politikern wie Bankern als alternativlos hingestellt. Aber die Rechnung wird irgendwann bezahlt werden müssen, und es ist nicht Mutti, die das tun wird. Denn die Strippenzieher sind ja nicht persönlich haftbar, sie treten im Extremfall zurück. Die Rechnung liegt dann immer noch auf dem Tisch.
Ob auf gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Ebene oder im privaten Bereich – Hotel Mutti ist überall. Ich bin dabei übrigens ganz und gar nicht der Meinung, dass die sozialen Sicherungssysteme aller Art abgeschafft werden sollten. Sie sind eine wichtige Errungenschaft unserer Zeit, die ein menschenwürdiges Zusammenleben erst möglich machen. Was mich stört, ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie in Anspruch
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