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Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Titel: Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Milsch
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»Eigentlich könnte man mal …«, »Im Prinzip ist das wohl so …« oder »Ich find den irgendwie ganz nett …« wird von Anfang an mehrdeutig formuliert, sodass man sich im Notfall darauf zurückziehen kann, doch etwas ganz anderes gemeint zu haben.
    Im Alltag ist diese Unverbindlichkeit allgegenwärtig. Das bekommt jeder mit, der in der S-Bahn unfreiwillig den Telefongesprächen anderer lauscht. »Ich bin’s, du, ich komme eine Bahn später«, »Nein, Silvia ist doch nicht mitgekommen«, »Mike hat keinen Bock aufs Irish Pub, wir gehen lieber in die Bar X, komm doch auch dorthin«, »Meld dich doch einfach im Lauf des Nachmittags, wenn du heute Abend noch was machen willst.« Verabredungen werden kurzfristig getroffen und bald darauf wieder umgestoßen. Die moderne Technik macht es möglich – früher war jemand, der schon zum Treffpunkt unterwegs war, schlicht nicht mehr zu erreichen und, wenn man sich verpasste, nicht mehr aufzufinden. Das allein zwang schon zur Festlegung. Heute sind die Beziehungen im Fluss, spontan, vorläufig.
    Sie dürfen sich gerne fragen, ob dies das Genörgel eines Ewiggestrigen ist, der auf die moderne Technik schimpft, weil er es nie gelernt hat, mit einem iPhone umzugehen. Aber damit würden Sie mich falsch einschätzen – das Gegenteil ist der Fall! Für mich ist klar: Nicht die zur Verfügung stehende Technik hat dieses Verhalten geschaffen, sondern das Verhalten hat sich das entsprechende Werkzeug gesucht.
    Im Berufsleben wie im Privaten wird das » cc « immer beliebter. Das Kürzel steht für carbon copy , also Durchschlagskopie. Im Papier- und Schreibmaschinenzeitalter war Kohlepapier notwendig, um eine Kopie des Geschriebenen zu erstellen. Bei Mails geht das per Knopfdruck. Eine Untersuchung der Techniker Krankenkasse in Zusammenarbeit mit dem F. A. Z.-Institut und Forsa zeigte, dass jeder Beschäftigte fast 180 Nachrichten pro Tag sendet und empfängt. Private Mails sind in dieser Rechnung noch gar nicht enthalten, und ein Großteil der Spams ist bereits ausgefiltert. Trotzdem sind viele der empfangenen E-Mails für den Adressaten sinnlos, denn es ist viel beklagter Usus, schnell noch ein paar Leute auf » cc « zu setzen. Auf diese Weise wird die Information breit gestreut und die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. »Herr Müller wünscht, dass er das Projekt in drei Wochen abgeschlossen vorliegen hat.« – »Onkel Fritz kommt am 24. November um 12.36 Uhr am Bahnhof an und möchte abgeholt werden.« Nun, Onkel Fritz wird zwei Stunden am Bahnhof warten müssen, bis ein eilig herbeigerufenes Familienmitglied ihn erlöst. Wenn alle verantwortlich sind, ist es keiner wirklich. »Nimm ihn du, ich hab ihn auch nicht«, heißt es in schlecht organisierten Fußballmannschaften.
    Wer eine neue Wohnung bezogen hat, lässt oft jahrelang die letzten unausgepackten Kartons unter der Kellertreppe stehen. Nur das Nötigste wird ausgepackt und eingeräumt. Beim Rest macht man sich die Mühe erst gar nicht – es könnte ja sein, dass man bald weiterzieht, dann hat sich der Aufwand nicht gelohnt. Auch das ist ein Kennzeichen der Generation Praktikum, der immer nur vorläufigen und befristeten Arbeitsstellen. Nicht nur die Twens, auch die Arbeitgeber vermeiden es nämlich mit allen Mitteln, sich festzulegen.
    Die Beliebigkeit gilt insbesondere auch für die Welt der Gefühle. Viele Berufsjugendliche haben Schwierigkeiten, sich auf einen Partner festzulegen. Sie hangeln sich von Kurzbeziehung zu Kurzbeziehung. Sobald die ersten Probleme in der Partnerschaft auftauchen, wird die Verbindung rasch gekappt. Andere ziehen jahrelang mit demselben Freund, mit derselben Freundin herum. Aber nie ringen sie sich zu dem Schritt durch zu sagen: Ja, das ist der Mensch, mit dem ich zusammen den Rest meines Lebens verbringen will. Möglicherweise zieht man zwar zusammen, aber immer noch mit der Hintertür: Wenn es nicht klappt, können wir auch wieder auseinanderziehen.
    Deshalb wird auch die Kinderfrage auf die lange Bank geschoben. »Ja, irgendwann einmal möchte ich Kinder, aber noch nicht jetzt.« Denn wer weiß schon, ob er mit seinem aktuellen Partner auch wirklich zusammenbleiben wird? Es steht in den Sternen, ob man sich auch in zwei Jahren noch gut versteht.
    Aber auch aus einem weiteren Grund sind Kinder für moderne Nomaden eine Fessel, die sich kaum jemand anlegen will. Noch mehr als Berufsleben und Beziehung erzeugen Kinder eine Verbindlichkeit – mindestens für die nächsten

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