Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
genommen werden, ohne dass sich irgendjemand darüber Gedanken macht, wer die Rechnung bezahlt.
Geschichten wie diese gibt es viele: Eine Stadt, in der eine Turnhalle gebaut werden sollte, gibt ein Gutachten in Auftrag. Das Ergebnis ist klar. Mit einer Doppelhalle könnte der Bedarf gedeckt und eine wirtschaftliche Auslastung gewährleistet werden. Doch es wird eine Dreifachturnhalle gebaut. Denn so können mehr Fördermittel von EU und Staat eingestrichen werden. Finanziell gesehen kommt es unterm Strich für die Stadt auf dasselbe hinaus – nur hat sie jetzt eine oft leer stehende Dreifachhalle. Das von Staat und EU zugeschossene Geld ist anonym und tut nicht weh. Und man sollte immer abgreifen, was man kriegen kann. Das ist die Devise.
Diese unselbstständige, kindliche Haltung zeigt sich mittlerweile auch bei denjenigen, die sich traditionell noch am wenigsten vom Mutti-System haben vereinnahmen lassen: die Selbstständigen. Wer ein Unternehmen gründet, tut das meist, weil er in der Lage und willens ist, Verantwortung zu tragen, und den Drang verspürt, sich selbst zu verwirklichen. Als Unternehmer ist er nicht automatisch abgesichert im Alter, bei Krankheit oder dem Scheitern der Firma. Es liegt an ihm, sich zu versichern und ein genügend dickes Polster auf dem Bankkonto fürs Alter aufzubauen. Nur: Viele tun es heute nicht mehr.
Das gibt der Ministerin Ursula von der Leyen derzeit Argumentationsstoff, um auch die Selbstständigen in das staatliche Rentenversicherungssystem zu zwingen. So sollen die allzu unabhängigen Geister per Altersvorsorgepflicht an die Leine gelegt und vom Staat abhängig gemacht werden, während gleichzeitig die Basis der Einzahler in die marode Rentenkasse noch einmal verbreitert werden könnte, was die Alternativlosigkeit der totalen Rentenreform noch mal um ein paar Jahre hinausschieben würde. Eine Idee, wie sie muttihafter nicht sein könnte.
Alles hat kein Ende, nur die Wurst hat zwei
Die völlig normale Verantwortungslosigkeit innerhalb eines Mutti-Systems zeigt sich auch in der Grundhaltung, jedes noch so kleine Bedürfnis sofort befriedigt haben zu wollen. Der Magen knurrt? Greif zum Snack »für den kleinen Hunger zwischendurch«. Fröstelst du im Winterwetter? Flieg mit Last Minute auf die Kanaren. Am Sonntagnachmittag überkommt dich die unwiderstehliche Lust auf ein paar schicke Schuhe? Bestell sie dir im Onlineshop, über Nacht sind sie da, und man musste noch nicht einmal dafür aus dem Sessel aufstehen.
Von klein auf werden wir auf Konsum getrimmt. Und zwar nicht nur auf das Stillen der Grundbedürfnisse; damit ließe sich bei konstanter Bevölkerung kein dauerhaftes Wirtschaftswachstum erzielen. Nein, alle Produkte, von technischen Geräten bis hin zur Mode, gehen nach kurzer Zeit kaputt, sind überholt oder nicht mehr interessant. Neues wird gebraucht. Bedürfnisse werden erzeugt, um sie stillen zu können.
Jegliche Geduld, jegliche Mäßigung wird abtrainiert. Gerade für die Nahrungsaufnahme gilt das. Es wird andauernd, pausenlos gegessen und getrunken. Keine Bahnfahrt von einer Stunde, auf der nicht das Leberkäsbrötchen und die Limo ausgepackt werden. Die Straßen sind voller Erwachsener, die einen Kaffeebecher in der Hand halten. Der Weg von der S-Bahn zur Arbeitsstelle ohne Coffee-to-go? Unvorstellbar. Ständig muss etwas im Mund sein, geschmeckt, gekaut, geschluckt werden.
Auch dies ist ein infantiler Zug unserer Gesellschaft. Ein Säugling, der Hunger hat, braucht alle paar Stunden etwas zu essen, und das sofort. Bei ihm ist dieser Bedarf real, weil sein Stoffwechsel noch sehr schnell arbeitet. Aber über dieses frühkindliche Stadium kommen viele Zivilisationsgeschädigte dank Muttis Einfluss mental nie heraus, auch wenn der Körper sich längst weiterentwickelt hat.
Früher gab es drei Mahlzeiten am Tag, dazwischen allenfalls mal einen Apfel. Wenn die Kinder quengelten, hieß es: Warte, in einer Stunde gibt es Essen! Der Hunger musste halt ausgehalten werden, jedenfalls für ein kleines Weilchen. Wirklich gehungert hat in Deutschland seit Ende der Nachkriegszeit allerdings fast niemand mehr. Heute gibt es nur noch eine Mahlzeit pro Tag: von morgens bis abends durchgängig. Das Kind bekommt geschmierte Pausenbrote mit in die Schule, die es nebenher so nach und nach isst. Dazu kauft es sich in der großen Pause ein Schokokussbrötchen. Die Trinkflasche, aus der auch während des Unterrichts ständig genuckelt wird, darf natürlich nie fehlen.
Weitere Kostenlose Bücher