Mutti packt aus
der Mutter von …?«
Pro-Aging
»Fühlsch du dich ei’ntlich jünger alsch dein Hängebuschen?«, fragt meine Tochter in schönster Unbefangenheit, während sie ihre Zähne schrubbt. Schaum perlt an ihren Mundwinkeln herab, rinnt übers Kinn und platscht ins Waschbecken. Boaahh ey! Was fällt dir eigentlich ein! Ja, hast du sie noch alle! Ich glaub’s ja nicht! Spinnst du! Das alles hätte ich sagen können, doch leider hat’s mir komplett die Sprache verschlagen. Starr vor Schreck bleiben die Sätze in meiner Kehle stecken, kauern sich verängstigt zusammen und trauen sich nicht, das Gehege meiner Zähne zu überspringen.
Sehr still, wie ein geprügelter Hund steige ich aus der Dusche und wickel mich blitzschnell in das Handtuch, mit dem ich mich eigentlich ausführlich abtrocknen wollte. Eincremen, Fußnägel schneiden, Zähne putzen – die fälligen Wartungsarbeiten am alternden Körper verschiebe ich auf später, wenn sie endlich weg ist. Ich meine, das habe ich jetzt davon, dass ich als Einzige in diesem Haushalt die Badezimmertür nicht prüde abschließe, um, sagen wir, eine Haarsträhne zu richten, einen Pickel auszudrücken oder was auch immer die da eigentlich machen, wenn ich morgens verzweifelt gegen die verschlossene Tür trommle, weil ich mal dringend aufs Klo muss.
Sie spuckt den Schaum aus und schwatzt unbeirrt weiter. »Wenn du dich nämlich jünger als dein Hängebusen fühlst, ist es nicht verwerflich, wenn du dir ein bisschen Plastik da reinpacken lässt.« Hallo!!! Als hätte ich jemals erwähnt, meinerseits auch nur in Erwägung zu ziehen, mit Schpritzen, Schneidewerkzeugen und Schirurgen die Zeichen der Zeit zu tilgen! Das wäre ja noch schöner! Gut, es ist nicht immer einfach, mit Porzellan-Teints, Marshmallow-Popos und Apfelbrüstchen konfrontiert zu werden, während man sich selbst im Umbau zur mümmelnden Greisin wähnt und heimlich über die sich wellenden Innenseiten der Oberschenkel weinen möchte. Sprechen wir’s mal gelassen aus. Eltern kommt von älter – na und?
Im Übrigen bin ich heilfroh, dass ich nicht mehr fünfzehn bin, und habe mit irgendwelchen schweren Formen von Altersverleugnung nichts am Hut. Verloren in einem Gewirr von Konfusionen, unfähig eine Entscheidung zu treffen, vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag durchmachen zu müssen, an sich selbst zu verzweifeln und ständig zwischen Baum und Borke zu wohnen – nein danke! Hielte mich jemand für die ältere Schwester meiner Töchter, wäre mir das peinlich. Ich könnte ihr jetzt von Glanz und Gloria der 50-Jährigen vorschwärmen, aber dann würde sie wohl traurig werden. Schließlich dauert es bei ihr ja noch so lange!
Pubertärem Gerede über Push ups, Pickel oder Problemzonen habe ich deshalb stets herzwarmes, launiges, kopfschüttelndes, reifes Verständnis entgegengebracht – dazu Null-Toleranz für die verrücktesten Auswüchse deklamiert und flankierend gegen jeden Versuch anargumentiert, schwächelnde Selbstwertgefühle kaschieren zu wollen, indem man mit angesagten Statussymbolen wie Designerklamotten einherstolziert, über unmögliche Piercings sinniert oder über Schönheitsoperationen überhaupt nur nachdenkt. War offenbar alles in den Wind gesprochen. Oder wieso erteilt sie mir jetzt die Lizenz zum Liften?
Sie wirft sich in Erlöserpose, hebt die Arme und strahlt mich an. »Weißt du«, fährt sie in fraulich-traulichem Ton fort, »das wäre ja das Gleiche, als wenn ich mir wünsche, wieder klein zu sein, und deshalb auf den Knien herumlaufe.« – »Wie jetzt?« Ich habe keine Ahnung, wovon sie eigentlich spricht. »Na, du sagst doch immer, dass man so alt ist, wie man sich fühlt. Also: wenn ich mich im Körper wie eine Fünfjährige fühle, dann habe ich einfach keine Probleme mehr wie eine Fünfzehnjährige.« Probleme! Mein mütterliches Radar springt augenblicklich an, sucht, und findet sofort die Koordinaten der Sorge: »Was bedrückt dich denn? Wollen wir reden? Ich habe Zeit«, lüge ich. »Komm doch mal in meine Arme«, flöte ich und setze mich einladend zurecht. Sie nimmt an. Sitzt auf meinem Schoß. Streichelt mir mitleidig den Scheitel. Beim Versuch, ein großes Mädchen wie ein sehr kleines in den Armen zu wiegen, fallen wir beide vom Klodeckel runter. Sie lächelt schief. »Ist schon gut, ich fühle mich ja nur innen manchmal wie fünf, und dabei sehe ich von außen wie fünfzehn aus. Das passt doch nicht!«
Unter meinem besorgten Blick strafft sie plötzlich den Rücken,
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