My Lady 0145 - Sheila Bishop - Der geraubte Kuss
Welt als gutsituierte Frau dastehen wollte.
Olivia brannte darauf, Alfred Makepeace kennenzulernen, und war von ihm enttäuscht, als er nach einigen Tagen eintraf. Er war ein netter, recht gut aussehender sechsundzwanzigjähriger Gentleman, der jedoch nicht Thomas Brookes selbstsichere Ausstrahlung und weltmännisches Auftreten hatte. Er vergötterte Hetty, was sicher bewundernswert war, ihm indes zum Nachteil gereichte, da sie ihn an der Nase herumführte und keine sehr hohe Meinung von ihm hatte.
Hester saß wie aufglühenden Kohlen. Aufgrund von Mr. Makepeaces Anwesenheit war es nun unmöglich geworden, sich von gesellschaftlichen Anlässen jedweder Art fernzuhalten. Weil er wußte, wie gesellig die Fenimores waren, hätte es bestimmt befremdlich auf
ihn gewirkt,
wären sie plötzlich auffallend
zurückhaltend geworden.
Glücklicherweise hatte Hetty den Schreck über das unerwartete Wiedersehen mit Mr. Brooke verwunden und genügend Stolz, um sich nicht noch einmal in der Öffentlichkeit eine Blöße zu geben.
Charles Osgood, ein wohlhabender Bankier, veranstaltete eine festliche Soiree, an der auch die Fenimores teilnahmen. Er war ein stattlicher, würdevoller Mann und sehr mit sich und seinen beruflichen Erfolgen zufrieden. Alles in seinem Haus zeugte von seinem Reichtum und dem kostspieligen Geschmack seiner Gattin.
Der größte Schatz hingegen, den die Osgoods besaßen, war ihrer Meinung nach jedoch ihre Adoptivtochter Madeleine.
Der Salon war mit Gästen überfüllt. Als Olivia mit Hetty eintrat, erschien es ihr fast unvermeidlich, daß sie sogleich Thomas Brooke in der Menge entdeckte.
Unverzüglich begab er sich zu den Damen, verneigte sich und begrüßte sie freundlich. Er schenkte ihnen ein gewinnendes Lächeln und sah dann den Herrn an, der hinter ihnen stand. „Ich nehme an, Sir, Sie sind der Glückliche, dem man gratulieren darf“, sagte er höflich.
Olivia war darauf vorbereitet gewesen, notfalls die Herren miteinander bekannt zu machen, doch Hetty kam ihr zuvor, wenngleich in reichlich linkischer Weise.
Mr. Makepeace hingegen schien durch das Interesse, das Mr. Brooke an ihm nahm, erfreut zu sein.
Da niemand Anstalten machte, sich unter die Schar der Geladenen zu mischen, ergriff Olivia die Initiative und äußerte in aufgesetzt bewunderndem Ton: „Welch bezaubernde Aussicht man aus diesem Fenster hat! Würden Sie mir erklären, Mr.
Brooke, was man dort sieht?“
Sie schritt zum Fenster, und willig folgte er ihr. „Das ist ein Rosenstrauch, Madam“, sagte er schmunzelnd. „Gibt es in Irland keine Rosen?“
„Das meinte ich nicht“, antwortete sie leicht verärgert. „Ich hatte mich auf die Küste bezogen.“
Er nannte ihr den Namen der Klippe und fuhr im selben Atemzug fort: „Ich hatte mich schon gefragt, wann wir uns endlich wiedersehen würden. Neuerdings scheinen unsere Wege sich ja nicht mehr zu kreuzen, nicht wahr?“
„Das ist doch nicht erstaunlich“, erwiderte Olivia. „Schließlich bietet Parmouth viele Abwechslungen.“
„Das stimmt“, räumte er ein. „Aber ich hatte eher den Eindruck, daß Sie vor mir gewarnt worden sind.“
Der Blick, den er ihr zuwarf, irritierte sie ebenso wie die Bemerkung. Sie fand den herausfordernden Ausdruck in seinen Augen ungemein attraktiv. „Nein, Sie irren, Sir“, entgegnete sie kühl. „Man hat mir nur von Ihnen erzählt. Das hat mir genügt.“
„Entschuldigen Sie, meine Herrschaften“, warf Charles Osgood ein und verneigte sich vor Miss Fenimore. „Wenn Sie gestatten, Madam, möchte ich Ihnen Mr.
Brooke für einen Moment entführen. Ich möchte ihn jemandem vorstellen.“ Olivia nickte und sah Thomas Brooke erst eine Weile später wieder. Er unterhielt sich mit Hetty und deren Verlobte. Die Cousine betrachtete ihn mit gequält wirkender Miene, und Mr. Makepeace lauschte ihm sichtlich voller Respekt. Olivia wollte zu ihnen gehen, doch im gleichen Augenblick hatte er sie bemerkt, beendete das Gespräch und kam auf sie zu.
„Sie sind ein kluger Mensch“, sagte er unumwunden, „und finden es gewiß auch nicht richtig, daß ein Mann und eine Frau, die lediglich einen gemeinsamen Nachmittag bei einem Picknick verbracht haben, eine Ehe eingehen sollten, die nur unglücklich verlaufen kann, nicht wahr?“
Die Frage traf Olivia vollkommen unvorbereitet. „Das hätten die beiden berücksichtigen sollen, ehe sie an dem Ausflug teilnahmen“, antwortete sie achselzuckend.
„Vielleicht haben sie das und sind zu
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