My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
das Besteck, die Servietten, Tischtücher, Aschenbecher, Flaschen und Dosen. Die Stühle klappten wir zusammen und stellten sie in einer langen Reihe entlang des Hausflurs auf. Die Sonnenschirme wurden zugemacht und unter den Tischen verstaut, die Abfallkörbe, Blumentröge und Kübelpflanzen in den Flur geschleift, die Fenster geschlossen und Läden verriegelt - kurz, wir bereiteten uns auf einen Sturm vor. »Mensch, Gundi, wir sind auf der Jägeralpe und nicht in New Orleans! Uns droht doch kein Orkan!«
»Warte es ab!«
Eigentlich hätte ich das Ganze ja lustig gefunden, wenn mir Gundis Gesichtsausdruck nur keinen solchen Schrecken eingejagt hätte. Ausgerechnet Gundi, die eigentlich die Ruhigste von uns allen war! Rosi war charmant und konnte auch dem
schwierigsten Gast ein Lächeln entlocken - aber wehe, wenn ihr jemand in die Quere kam!
Yasmina war von den dreien die Temperamentvollste. Sie konnte schon mal einen Kohlkopf in die Ecke pfeffern, wenn ein Wanderer sie blöd angeredet hatte. Ich will weder Rosi noch Yasmina schlecht machen. Was ich damit sagen möchte, ist nur, dass Gundi zwar an alle, die ihr in der Küche helfen, hohe Maßstäbe anlegt, aber wenn sie mit ihnen zufrieden ist, wenn die Milch nicht überkocht, wenn die Kässpatzen einwandfrei gelingen und der Kaiserschmarrn so richtig knusprig aus der Pfanne kommt, ist sie friedlich wie ein neugeborenes Lämmchen.
Ihre Zufriedenheit kann man immer an ihrem Gesichtsausdruck ablesen. Als wir noch mit dem Hereintragen, Zuschlie ßen und Verriegeln beschäftigt waren, las ich in ihrem Gesicht so was wie Angst. Und genau das machte mir Angst.
Ich hielt sie am Arm fest. »Gundi, hast du eine Gewitterphobie?« Mann, war ich stolz, weil ich wusste, was eine Phobie ist. Im Lexikon wird der Begriff folgendermaßen erklärt: »Phobie = krankhafte Angst, etwa vor Gewitter, geschlossenen Räumen usw.«
»Ja, hast denn keine Augen im Kopf?«, fuhr sie mich an. »Hast den gelben Rand, den Saum, nicht gesehen? Weißt nicht, was das bedeutet?«
»Ehrlich gesagt weiß ich das nicht.«
»Dann wart’s ab«, wiederholte sie. »Aber eines musst wissen. Ich weiß, was eine Phobie ist. Merk dir das, Zippi. Ich hab keine krankhafte Angst vor einem Gewitter, ich fürchte nur den Hagel und Sturm hier heroben. Hast du schon mal erlebt …« Sie hielt inne. »Natürlich hast du das noch nicht erlebt, Zippi. Du kommst ja aus der Stadt, bist ein City-Girl. Also warte einfach ab. Euer Fenster und der Laden sind zu? Habt ihr auch das Badfenster geschlossen?«
Hatten wir nicht, weshalb Marta und ich sofort losschossen und sogar die kleine Luke im Stadel mit Brettern verbarrikadierten. »Glaubst du wirklich, es kommt so schlimm, wie Gundi es fürchtet? Mensch, Zippi, vielleicht haben wir die ganzen Aufräumarbeiten umsonst gemacht.«
»Na, und wenn schon. Angst vorm Gewitter habe ich nicht. Ich find’s nur komisch, dass Gundi sich solche Sorgen macht.«
Wie die sich aufführte! Als Marta und ich ums Haus und auf die Terrasse rannten, schrie sie Ignaz und Franzl an. »Ja was macht ihr denn noch bei uns? Warum seid ihr nicht schon längst bei Zenza? Die braucht eure Hilfe! Und denkt doch daran, wie sie sich um euch Sorgen macht, wenn sie nicht weiß, wo ihr steckt! Los, rauf aufs Moped! Und dass ihr mir fahrt, so schnell es geht!«
Obwohl sie Ignaz sonst das Gegenteil einschärft, nämlich langsam und vorsichtig zu fahren, machte sie ihm und Franzl so Beine, dass die vor lauter Schreck auf den Abschiedskuss verzichteten, zum Moped flitzten und mit lautem Getöse den Wiesenweg entlangholperten. Danach wandte sich Gundi Nele zu. »Und du schaust zu, dass du zu deinem Vater kommst! Emir, du begleitest sie, dann kommst zu uns zurück!«
Schon sah ich Emir die Nacht in unserem Stadel verbringen, aber Gundi machte den Wunschtraum sofort zunichte. »Du musst dich mächtig beeilen, schließlich liegt dein Schlafsack in Zenzas Stadel!«
Aha, damit hatte Gundi das Thema »Emir im Stadel der Jägeralpe« erledigt und schob die beiden aus der Tür. Als ihre Schritte und das Aufsetzen von Neles Stock verklungen waren, winkte Gundi Marta und mich zu sich auf die Terrasse. »Hört ihr was?«
Wir lauschten angestrengt, hörten aber nichts. Überhaupt nichts. Weder einen Vogel - übrigens sahen wir auch keinen - noch das Muhen einer Kuh noch eine einzige Glocke. Nichts.
»Hört ihr denn gar nichts?«, forschte Gundi.
»An was denkst du?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
»Ja,
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