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My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn

Titel: My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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verdunkelt, die nur am Rand einen feinen Streifen Licht durchließen. Eine schummrige Notbeleuchtung, die mich ans Kino erinnerte, sorgte dafür, dass man die Stufen überhaupt noch erkennen konnte, die vom Auditorium hinunterführten. Im Zentrum der Bühne prangte ein greller Scheinwerferkreis.
    Während sich meine Augen langsam an das wenige Licht
gewöhnten, beobachtete ich, wie Herr Müller sich in die erste Reihe setzte und Block und Stift zur Hand nahm. Von diesem Platz aus würde er über Wohl und Weh seiner Bewerber entscheiden. Aus irgendeinem Grund hatte ich plötzlich das Gefühl, dass er viel zu nah am Geschehen saß. Bestimmt würde ich besser wirken, wenn er sich zehn Reihen weiter nach hinten verpflanzte.
    Von Finn war immer noch nichts zu sehen. Immer wieder sah ich zur Tür, doch die blieb geschlossen. Keine Spur von Finn. Ich war so enttäuscht, dass ich schon mit dem Gedanken spielte, Lisa und Denise zu fragen, ob sie etwas von ihm wussten. Da ich mir jedoch mein Interesse für ihn nicht anmerken lassen wollte, hielt ich den Mund.
    Aus dem Halbdunkel heraus rief Herr Müller die erste Julia-Anwärterin auf, ein Mädchen aus einer der Parallelklassen, das erschrocken aufsprang und die Treppen nach unten eilte. Obwohl sie auf dem Weg zur Bühne furchtbar nervös wirkte, schien sie die Ruhe selbst zu sein, sobald sie in den Scheinwerferkreis trat. Während das Mädchen auf der Bühne auf einmal so gelassen wirkte, wuchs meine Aufregung. Wusste ich meinen Text überhaupt noch? Als die Test-Julia vorne loslegte, sprach ich in Gedanken jedes Wort mit, und sobald sie fertig war, wusste ich zwei Dinge. Erstens: Ich beherrschte meinen Text, und zweitens: Die Julia da vorne war grottenschlecht.
    Ihre Darbietung war sogar so schlecht, dass nach ihren letzten Worten einige Sekunden lang Stille herrschte. Erst als Herr Müller zu applaudieren begann, stimmten einige der Anwesenden mitleidig ein.
    Die hatte ich auf jeden Fall im Sack. Blieben nur noch die anderen Julias. Von den nächsten drei Mädchen waren zwei mittelmäßig und eine wirklich gut. Ich wollte mir sagen, dass
ich besser war als die anderen, dummerweise hatte ich immer noch Mehlis Kommentare über mein mangelndes Talent im Ohr. Trotzdem fand ich, dass meine Chancen nicht schlecht standen.
    Als Nächste war Lisa an der Reihe. Sie strahlte schon auf dem Weg zur Bühne eine derartige Gelassenheit aus, dass ich fast eine Gänsehaut bekam. Im Scheinwerferlicht selbst bewegte sie sich, als gehörte sie dorthin. Ihr Auftritt war nicht nur gut, sondern - wie ich zu meinem Leidwesen gestehen musste - grandios. Am Ende ihres Textes wurde sie mit derart stürmischem Applaus belohnt, dass ich meine Chancen auf die Rolle mit einem Schlag gen null schwinden sah.
    Schließlich wurde ich aufgerufen. Schon auf dem Weg zur Bühne fühlten sich meine Beine wie Pudding an. Wie sollte ich nach Lisas Glanzleistung noch etwas reißen? Chancen hin oder her, ich würde kämpfen! Als ich die fünf Stufen zur Bühne hochstieg, warf ich noch einmal einen Blick ins Publikum. Soweit ich es im Halbdunkel erkennen konnte, war Finn immer noch nicht da.
    Als ich in den Scheinwerferkreis trat, musste ich die Augen zusammenkneifen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können. Dahinter war nur Dunkelheit zu erkennen, worüber ich allerdings nicht sonderlich traurig war. Wenn ich die Zuschauer nicht sehen konnte, war das nur gut. Noch besser wäre es wohl gewesen, wenn sie mich nicht hätten sehen können. Meine Handflächen wurden schlagartig feucht, und meine Hände zitterten mit meiner Stimme um die Wette, sobald ich den Mund aufmachte.
    Ich streckte die Arme in einer dramatischen Geste aus. »Hinab du flammenfüßiges Gespann«, begann ich ein wenig zu leise - vielleicht gar nicht schlecht, denn mit ein wenig Glück hatte niemand gehört, was ich aus »flammenhufig«
gemacht hatte. Mich brachte der Versprecher trotzdem aus dem Takt, denn bisher hatte ich bei unseren Proben zumindest den ersten Satz fehlerfrei hinbekommen. Dass der nun gleich danebengegangen war, verunsicherte mich so sehr, dass mir Satz Nummer zwei gleich gar nicht mehr einfallen wollte.
    Um Worte ringend, stand ich da, unter dem Scheinwerfer schwitzend, und sah, wie sich mein Traum, als Julia in Finns Arme zu fallen, in Luft auflöste.
    Wie war der verflixte zweite Satz?
    Â»Zu

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