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My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn

Titel: My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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den Schal amüsieren, der so gar nicht zu seinem Sakko Marke »Verkanntes Genie« zu passen schien. Immerhin machte er einen sympathischen, wenn auch leicht zerstreuten Eindruck. Wer wollte schon die nächsten Wochen harter Proben und Arbeit unter der Anleitung eines tyrannischen Unsympathen verbringen?
    Â»Dass er so wenig Haar hat«, grinste Lisa, als ich Herrn Müller immer noch musterte, »liegt übrigens nicht an uns. Das müssen die unzähligen Jahrgänge vor uns gewesen sein.«
    Â»Für welche Rolle sprichst du vor?«, wollte Denise wissen.
    Â»Julia. Ihr auch?«
    Lisa nickte, Denise schüttelte den Kopf und meinte: »Ich will die Amme spielen - weniger Text. Abgesehen davon hat Lisa die Julia-Rolle schon so gut wie in der Tasche. Sie ist einfach perfekt.«
    Â»Na, ihr macht mir ja Mut.«
    Â»Perfekt ist auch Quatsch«, wiegelte Lisa ab. »Ich hab halt die meiste Bühnenerfahrung, weil ich seit der Grundschule immer in irgendwelchen Theatergruppen war. Das ist aber auch schon alles.«
    Klar, jahrelange Berufserfahrung ist da durchaus zu vernachlässigen. Interessiert ja keinen, ob die Julia nun gut vorgetragen ist. Hauptsache ein frisches Gesicht. Ob eine Julia
mit grünen Haaren überhaupt eine Chance hatte? Ich zuckte die Schultern. Wozu gab es Perücken. Natürlich hätte ich auch einfach zum Friseur gehen und mir die Haare wieder auf normal trimmen lassen können. Aber das wollte ich dann doch nicht, denn irgendwie hatte ich mich inzwischen an den schwarz-grünen Mix auf meinem Kopf gewöhnt.
    Plötzlich kreischte die Rückkopplung eines Mikros durch die Lautsprecher, dass ich vor Schreck fast vom Sitz gefallen wäre. Ein dumpfes Pochen folgte, als Herr Müller mit dem Zeigefinger auf das Mikro tippte.
    Der Leiter der Theater-AG stand im Zentrum der Bühne. »Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten!« Er sprach ein wenig zu laut, sodass der Verstärker sofort wieder zu pfeifen begann. Noch einmal klopfte er auf das Mikro. Am Bühnenrand schüttelte einer der Jungs den Kopf und flüsterte ihm etwas zu. Herr Müller nickte und fuhr leiser und ohne jedes Pfeifen fort: »Ich danke euch für euer zahlreiches Erscheinen und bin schon sehr auf die diesjährige Aufführung gespannt.« Eine Weile sprach er über vergangene Stücke, die erfolgreichen und jene, die chaotisch oder in seinen Augen einfach glanzlos gewesen waren. Natürlich wünschte er sich, dieses Jahr ein echtes Highlight auf die Beine zu stellen. »Mir ist klar, dass Romeo und Julia kein neues oder gar überraschendes Stück ist. Entsprechend wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Aufführung eine vollkommen neue Interpretation des Themas wird. Wir halten uns an die alten Texte, doch unsere Kulissen und Kostüme werden den modernen Zeiten entsprechen.«
    Neu und unverbraucht? Wann war der Kerl das letzte Mal im Kino? In den Siebzigern? Konnte ihm wirklich der Film mit Leo di Caprio entgangen sein?
    Â»Ich wurde bereits darauf hingewiesen«, sagte er in diesem
Moment, »dass es einen Film gibt, der Ähnliches versucht hat.«
    Versucht? Der Film war genial!
    Â»Nichtsdestotrotz«, fuhr er ungerührt fort, »werden wir das Kino auf die Bühne verlegen und unserem Publikum ein grandioses Spektakel bieten.«
    Reichlich große Worte für eine Schulaufführung. Andererseits war das eine ganze Ecke mehr Motivation, als ich es aus der Einbecker Truppe gewohnt war.
    Nach einigen weiteren »Auf in den Kampf«-Sätzen kam er endlich zu dem Punkt, der mich am meisten interessierte: der Ablauf des heutigen Vorsprechens.
    Â»Wir beginnen mit den Hauptrollen, die Julias zuerst, und arbeiten uns dann langsam zu den Nebenrollen durch.«
    Mehr hörte ich nicht, denn ab dem Moment, als mir klar wurde, dass ich in einigen Minuten auf die Bühne musste, bekam ich Bauchkneifen. So schnell? Ladys first ist doch längst überholt! Die Romeos könnten doch genauso gut den Anfang machen! Obwohl ich insgeheim gehofft hatte, noch eine Gnadenfrist zu bekommen, ließen sich die Vorteile eines schnellen Auftritts nicht übersehen. Ich hätte es schnell hinter mir und könnte mir den Rest des Vorsprechens ohne Übelkeit ansehen.
    Herr Müller wünschte allen Teilnehmern Glück und gab den Beleuchtern ein Zeichen. In der Aula wurden die Lichter gelöscht. Die Fenster waren mit Jalousien

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