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My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn

Titel: My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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kurzer Zeit. Zur Gewissheit wurde es, als ich am nächsten Nachmittag mitten in Mehlis Zimmer auf einem Stuhl stand und meinen Text mit - wie er es nannte - Drama und großer Pose vortrug.
    Mehli war ein Sklaventreiber. Es interessierte ihn weder, dass ich ständig die Worte verwechselte noch dass ich bei jeder Bewegung Gefahr lief, das Gleichgewicht zu verlieren und vom Stuhl zu fallen. Jedes Mal wenn ich mich wieder mit einem Sprung vom Stuhl davor gerettet hatte, auf die Nase zu fallen, scheuchte er mich sofort wieder auf mein Podest und zwang mich, noch mal von vorne anzufangen.
    Ich wollte die Zeilen einfach nicht in den Schädel bekommen. Ständig machte ich aus Phöbus einen Pöblus und aus Phaeton einen Python. Ich wusste jedes Mal schon, bevor ich es überhaupt aussprach, dass ich es falsch sagen würde und trotzdem schaffte ich es einfach nicht, mich so weit zu konzentrieren, dass ich die Worte aussprechen konnte, ohne einen Knoten in der Zunge zu haben. Nach dem ersten Probennachmittag verbrachte ich den Abend damit, an meinem Text - und meinem Gleichgewichtssinn - zu arbeiten. Beides mit mäßigem Erfolg.
    Am nächsten Tag versuchte Mehli weiter, mir ein Gefühl für Julias Lage zu geben. Ständig verlangte er, ich solle meinen Text mit mehr Inbrunst und Gefühl sprechen und ihn nicht so herunterleiern. Leiern! Ich leierte überhaupt nicht! Ich gab mir wirklich alle Mühe, trotzdem rief Mehli immer wieder: »Mehr Gefühl!«
    Welcher Teufel hatte mich geritten, ihn zu meinem Schauspiel-Coach zu machen? Bald war er so verzweifelt, dass er entschied, den Romeo zu geben, um mich anzuspornen. Womit er seine Wirkung vollkommen verfehlte, denn statt
mich angestachelt zu fühlen, konnte ich nicht mehr aufhören zu lachen.
    Â»Du nimmst das nicht ernst!«, beschwerte er sich.
    Â»Wie soll ich das auch?«, gab ich zurück. »Du bist in ein Bettlaken gewickelt!« Das hatte er sich über seine Klamotten geschlungen, um näher an der Rolle zu sein, wie er es nannte.
    Â»Das ist eine Toga«, sagte er prompt.
    Â»Romeo trägt doch keine Toga, sondern Strumpfhosen … oder wenigstens Pluderhosen!«, beschwerte ich mich.
    Â»Beides aus.«
    Ab diesem Moment war der Ernst flöten gegangen. Plötzlich sagte der selbst ernannte Bettlaken-Romeo nicht mehr Texte wie »Der Liebe leichte Schwingen trugen mich«, sondern rief stattdessen: »Mensch, Jule! Mehr Gefühl!«
    Â»Oh Mann, Mehli!«, stöhnte ich genervt. »Kannst du dich nicht einfach hinsetzen und checken, ob mein Text passt und wie ich wirke?«
    Â»Hab ich versucht. Ist aber die reinste Folter.« Er warf sein Bettlaken zur Seite und sah mich ernst an. »Ganz ehrlich, Charlie, du hast zum Schauspielern so viel Talent wie ein Gummibärchen zum Stepptanz.«
    Â»Das war deutlich.«
    Â»Das ist wirklich nicht böse gemeint, aber du solltest dir echt überlegen, ob du die Sache nicht lieber abbläst und hinter den Kulissen in der AG mitmachst.« Er zog sich den Stuhl heran, von dem ich gerade mit halb elegantem Sprung gestolpert war, und setzte sich. »Ich will doch nur vermeiden, dass du dich am Freitag lächerlich machst.«
    Ich sollte darauf verzichten, als Julia in den Armen meines Romeos zu landen? Das kam nicht infrage! Ich musste das hinbekommen und das würde ich auch!

    Â»Mensch, Charlie! Wenn du mich so ansiehst, kann ich dir nicht mehr sagen, als dass es wirklich besser wäre … Also gut, machen wir weiter!«
    Während mich Mehli jeden Nachmittag quälte - oder wohl eher ich ihn -, verliefen die Schultage friedlich. In den Pausen hing ich immer mit derselben Clique herum, einem Gemisch von Leuten aus meiner und Mehlis Klasse sowie einigen aus der AG. Jeden Tag tauten sie ein wenig mehr auf und begannen, mich immer mehr in ihre Gespräche mit einzubeziehen. Lukas trieb sich mit seinem Gefolge und den Begleitbarbies herum, sodass mir seine Nähe erspart blieb.
    Finn war auch weiterhin nett zu mir. Jedes Mal wenn er allein vor mir stand - was nicht mehr so häufig vorkam, seit ich Anschluss gefunden hatte -, wartete ich darauf, dass er mich endlich fragen würde, ob ich mit ihm ins Kino oder wenigstens ein Eis essen gehen wollte. Aber er fragte nicht. Und ich wäre eher tot umgefallen, als selbst den Anfang zu wagen. Nicht dass ich nicht gewollt hätte. Ich habe sogar ein paar Mal versucht, über meinen Schatten

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