My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn
Umkreis hören konnte. Erst später, auf dem Weg zu mir nach Hause, erzählte er mir, dass ihm wohl jemand einen Streich gespielt und die Türklinke blockiert hätte. »Irgendwie kommt das in letzter Zeit auffallend oft vor«, überlegte er laut.
»Dass jemand die Türklinke blockiert?«
»Nein, dass mir jemand eins auswischen will.«
Schau mich nicht so an! »Vielleicht Lukas?«, mutmaÃte ich, da ich fürchtete, er würde sofort merken, dass ich dahintersteckte, wenn ich jetzt schwieg.
»Möglich.« Er nieste dreimal hintereinander, bevor er sagte: »Ich sollte ihn mir einmal vorknöpfen!«
»Nein!«, entfuhr es mir ein wenig zu schnell. Etwas ruhiger fügte ich hinzu: »Ich meine, das führt doch nur zu weiterem Ãrger. Lass ihn einfach links liegen.«
Finns Antwort bestand aus einer weiteren Niesattacke. Das war meine Schuld. Ich war so entschlossen gewesen, meinen Plan umzusetzen und endlich Sophies iPod zurückzubekommen (was ich einmal mehr vergeigt hatte), dass ich nicht einmal daran gedacht hatte, dass wir Ende November hatten. Es war saukalt und der Schneeregen machte es nicht besser.
Als hätte er meine Gedanken, zumindest einen Teil davon, erraten, blieb Finn plötzlich stehen. »Ich schätze, das wird eine ordentliche Erkältung«, meinte er. »Das mit dem Lernen lassen wir heute lieber. Ich hau mich ins Bett. Vielleicht bin ich dann bis Montag wieder fit.«
Ich murmelte noch »Gute Besserung«, dann zog er auch schon in die entgegengesetzte Richtung davon. Selbst nach einigen Metern konnte ich ihn noch niesen hören. Das war allein meine Schuld! Wenn er sich jetzt eine Lungenentzündung holte und daran starb, dann hatte ich ihn umgebracht!
12
F inn starb nicht. Zumindest nicht in den nächsten Tagen. Mein Gewissen trieb mich schon ab Freitagnachmittag immer wieder zum Telefon, um ihn anzurufen und mich zu erkundigen, wie er sich fühlte. Nicht nur einmal riss ich ihn dabei aus dem Schlaf. Er hätte meine Frage nicht einmal beantworten müssen, denn schon an seiner Stimme konnte ich erkennen, dass es ihm ziemlich dreckig ging. Er nieste und
hustete und seine Nase war mittlerweile auch vollkommen dicht. Und während der kommenden Tage wurde es nur noch schlimmer. Teilweise war er so heiser, dass ich durch das Telefon nur raten konnte, was er gesagt hatte.
Nachdem ich ja schuld daran war, dass er flachlag, beschloss ich, ihm die Schulunterlagen und Hausaufgaben zu bringen. Das war das Mindeste, das ich tun konnte. Da ich nicht wusste, wo er wohnte, klemmte ich mich an den PC, gab bei der Internet-Telefonauskunft seinen Nachnamen und die Stadt ein und fand anhand der Telefonnummer schnell die dazu passende Adresse.
Am Dienstag machte ich mich gleich nach der Schule auf den Weg zu ihm. Er wohnte in einer Gegend voller Mietskasernen, in der die Hausmauern mit Schmierereien und Graffiti voll waren. An vielen Stellen lag Müll auf den Gehwegen und an den StraÃenecken standen Jugendliche in Gruppen herum, die ich an unserer Schule noch nie gesehen hatte. Mit ihren Ghettoblastern, Kapuzensweatern und dem Geschrei, das sie veranstalteten, kamen sie mir fast vor wie die Gangs, die man sonst nur im Fernsehen sieht. Ich war ziemlich erstaunt, diese Seite von München zu sehen, denn bisher war ich kaum über mein eigenes Viertel, die Gegend um die Schule herum, die Innenstadt und das Einkaufszentrum hinausgekommen. Dies war definitiv eine Ecke, in der sich München deutlich vom ruhigen Einbeck unterschied.
In einem ziemlich verdreckten Hinterhof entdeckte ich schlieÃlich Finns Hauseingang. Ich suchte nach dem passenden Namensschild und drückte den Knopf daneben. Der schrille Ton der Klingel hallte durch den Hausflur bis zu mir. Ich wartete darauf, eine Stimme aus der Gegensprechanlage zu hören, doch eine ganze Weile passierte überhaupt nichts. Dann erklang der Summer und die Tür sprang auf. Vor dem
Aufzug hing ein »AuÃer Betrieb«-Schild und zwang mich, zu Fuà zu gehen. Der Geruch um die Wette kochender Hausbewohner erfüllte das Treppenhaus und veränderte sich mit jedem Stockwerk, das ich weiter nach oben kam. Im fünften Stock stand eine Tür angelehnt. Als ich den Treppenabsatz erreichte, zog Finn die Tür auf und starrte mich an, als sei ich ein Geist.
»Was willst du denn hier!«, schnauzte er, noch immer deutlich erkältet.
»Ich bringe dir
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