My Story - Streng geheim - Verrueckt nach Mark
Stadtbummel aber noch nicht bemerkt, es muss erst vor Kurzem aufgehängt worden sein.
Als ich ein Stück näher heran bin, sehe ich, dass die Figur nicht nur mit dem Finger auf die Leute zeigt, sie hält in der anderen Hand einen Zettel, und ihre Geste soll nichts anderes bedeuten als: »Los, lies das!«
Okay, ich tue ihr den Gefallen.
Aufgepasst!
Die Buchhandlung Behrendt präsentiert den ersten Berliner Mangawettbewerb. Talentierte Mangakas aus Berlin und Umgebung werden aufgerufen, ihre Arbeiten einzusenden. Dem Gewinner bzw. der Gewinnerin winkt die Veröffentlichung der Geschichte.
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Also, macht mit!
Teilnahmekarten gibt es im Laden.
Ich habe keine Ahnung, ob diese Aufforderung schon bei vielen Leuten Anklang gefunden hat. Bei mir erzielt sie jedenfalls genau die Wirkung, die sich die Buchhandlung wünscht. Ich betrete den Laden und halte Ausschau nach den Teilnahmekarten, die ich irgendwo in der Nähe der Kasse vermute.
Als ich an den Regalen mit den Neuvorstellungen vorbei bin, springt mir förmlich etwas ins Auge. Die Teilnahmekarten werden nicht etwa schnöde neben der Kasse gestapelt, sie werden in einem eigens dazu angefertigten Aufsteller präsentiert. Dieser sieht genauso aus wie das Mädchen auf dem Plakat, nur ist er überlebensgroÃ. Selbst ausgesprochen kurzsichtige Leute müssen mitbekommen, dass er hier steht.
Die Teilnahmekarten sind schrillpink und lassen sich aufklappen. Auf einer Seite sind die Felder für Namen und Adresse abgedruckt. Auf der anderen Seite befinden sich die Teilnahmebedingungen.
Demnach soll man ein Artwork einsenden, also eine kolorierte Zeichnung. Aus den Einsendungen werden die zehn besten Bilder ermittelt und die Zeichner zum Endausscheid
eingeladen. Dort sollen sie dann ein ganzes Blatt mit einer Geschichte füllen. Derjenige, der den ersten Platz ergattert, darf dann einen ganzen Manga entwickeln, der gedruckt und in dieser Buchhandlung verkauft wird.
Genau das wäre mein Traum!
Allerdings bin ich realistisch und weiÃ, dass die Konkurrenz hart werden wird. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mal einen Band eines deutschen Nachwuchstalentes in die Hand bekommen. Das Mädchen konnte vielleicht zeichnen! Wenn ich mir das Buch anschaue (Natürlich habe ich es mir gekauft, man muss die Konkurrenz doch im Auge behalten!), werde ich regelmäÃig grün vor Neid, aber es ist mir auch ein Ansporn, selbst besser zu werden.
Abgegeben werden muss das Artwork spätestens am nächsten Samstag. Das müsste zu schaffen sein. Ich habe das Bild ja gewissermaÃen schon da, in Schwarz-WeiÃ. Ich muss also nur noch eine Kopie davon anfertigen und es kolorieren.
»Hey, willst du bei dem Wettbewerb mitmachen?«, fragt mich plötzlich jemand, bevor ich Gelegenheit habe, die Karte in meine Tasche wandern zu lassen.
Ein Junge steht hinter mir. Er ist etwa so alt wie ich, hat braune Haare, dunkle Augen und ist sonnengebräunt. Ein bisschen sieht er aus wie ein Italiener.
Arbeitet er hier? Oder ist er wie ich ein Zeichner und will die Konkurrenz abchecken? Mir womöglich ausreden teilzunehmen? Das schafft er nicht!
»Ja, das habe ich vor«, antworte ich und sehe ihn herausfordernd an. Er grinst.
»Von mir brauchst du keine Konkurrenz zu fürchten, ich zeichne ziemlich schlecht.«
»Und warum belauerst du dann den Stand mit den Teilnahmekarten?«
Im nächsten Moment tut es mir leid, dass ich das gesagt habe. Und wie ich das gesagt habe. Sicher meinte er es nur nett.
»Ich helfe hier aus und habe dich zufällig gesehen«, antwortet er und scheint überhaupt nicht sauer zu sein.
»Sprichst du denn jeden an, der sichâne Teilnahmekarte nimmt?« Jetzt lächle ich auch ein wenig.
»Nein, nicht jeden. Aber du bist mir aufgefallen.«
Was soll denn das? Flirtet er etwa mit mir?
Irgendwie wird mir diese Situation jetzt unangenehm. Er scheint nicht gerade ein Blödmann zu sein, aber ich bin es nicht gewohnt, mit wildfremden Jungs zu reden. Da habe ich ja schon bei Mark versagt.
Dieser Junge will offensichtlich was von mir, und das macht es nicht gerade leichter, mit ihm zu sprechen.
»Ich bin übrigens Thomas«, stellt er sich vor.
»Luna«, entgegne ich und blicke ein wenig verlegen auf die Teilnahmekarte.
»Luna? Wie der Mond?«
Ich spüre, wie ich rot werde, dabei müsste ich diese Frage schon gewöhnt sein, denn die meisten Leute stellen
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