Myanmar - Stefan Loose Reisefuehrer
Herausforderungen. Es wird noch lange dauern, bis dieses arme reiche Land den wirtschaftlichen Stand anderer asiatischer Nationen erreicht.
Religionen
Buddhisten: knapp 90%
Christen: 6%
Muslime: 4%
Hindus: 0,5 %
Birma wird als „Land der Pagoden“ besungen und zweifellos dominiert der Buddhismus die Kultur des Landes. Bamar sein heißt zugleich Buddhist sein. Christen und Muslime sind eine Minderheit. Fast unüberschaubar ist die Zahl der Naturreligionen. Vorwiegend unter den verschiedenen Minderheiten verbreitet, zeigen sie sich in einer Vielfalt von Erscheinungsformen. Dabei spielen Ahnenkult, Geisterglaube und schamanische Riten eine große Rolle.
Nat-Kult
Der Geisterglaube bestimmt nach wie vor das Alltagsleben der Menschen Südostasiens, Birma bildet dabei keine Ausnahme. Zu den Geistern haben die Menschen ein ambivalentes Verhältnis, denn sie können sowohl beschützen als auch Unglück bringen. Allgemein können drei „Typen“ unterschieden werden: Ahnen, ortsgebundene Territorialgeister und Naturgeister. Sie finden sich auch im Nat-Kult wieder. Ein Nat – wahrscheinlich von dem Sanskritwort
natha
= „Herr“ oder „Beschützer“ abgeleitet – kann eine verstorbene historische Persönlichkeit, eine legendäre Figur, ein Naturgeist oder auch eine Hindu-Gottheit sein. Zu den Territorialgeistern zählen etwa der Berg-Nat Bobogyi und U Shin Gyi , Beschützer der Wasserwege des Ayeyarwady-Deltas. In keinem Haus darf eine dem Eindwin Nat (Haushalts-Nat) – er ist mit Maung Tinde (s. S. 273) identisch – geopferte Kokosnussfehlen. Sie wird in einem Korb aufgehängt bzw. auf einen kleinen Altar gelegt und mit einem roten Stoffstreifen und Blumen geschmückt.
Zu den Ahnen zählen historische oder legendäre Gestalten, wie die auf dem Berg Popa verehrte Popa Maedaw oder ihre beiden Söhne Min Gyi und Min Lay . Naturgeistern werden gleichlautende Namen gegeben. So heißt der Schutzgeist eines Waldes Taw Zaung Nat oder eines herausragenden Baumes Yokkazoe Nat . Aus dem Pantheon der Hindu-Gottheiten wurde Saraswati übernommen, die unter ihrem birmanischen Namen Thuratthadi als Patronin der Literaten und Musiker gilt und vor allem in Bildungsbelangen konsultiert wird.
Zum Nat kann eigentlich jeder Mensch werden, vorausgesetzt, er stirbt eines plötzlichen Todes, sei es durch Unfall, Krankheit oder gar Mord. So wurde der Trunkenbold Ko Gyi Kyaw vom Baum erschlagen (s. S. 309), und der nach Bago verschleppte König von Chiang Mai, Mekuti (reg. 1551–64), starb an Diarrhöe. Die schwangere Ma Aung Phyu wurde gar lebendig begraben und ist heute Patronin junger Frauen.
Spätestens seit der Zeit des Bagan-Königs Anawrahta (reg. 1044–77) existiert der offizielle Kult um die 37 Nats. Anfänglich unterdrückte der vehemente Förderer des Buddhismus die Nat-Verehrung und ließ ihre Schreine zerstören. Feste und Tieropfer zu ihren Ehren waren verboten, doch ohne Erfolg. Schließlich entschloss er sich zu einem Kompromiss: Den damals populären 36 Nats fügte er ein Oberhaupt hinzu: Thagyamin . Er verkörpert den auf dem Berg Meru herrschenden obersten Hindu-Gott Indra, der gleichzeitig unter dem Namen Sakka als Schutzherr des Buddhismus verehrt wird. Somit war gesichert, dass die Nats unter der Lehre Buddhas standen. Daher ist es kein Widerspruch, wenn auf dem Gelände einer buddhistischen Pagode auch ein Nat-Schrein steht.
Im Laufe der Jahrhunderte sah die Namensliste der 37 Nats immer wieder Veränderungen. Neue Nats wurden populär, andere gerieten in Vergessenheit, denn die Bedeutung der Nats hängt stark von ihrer „Effizienz“ ab. Taugen sie nichts, so werden sie einfach ignoriert.
Die heutige Liste stammt aus der Ära des Königs Bodawpaya (reg. 1782–1819) und wurde von dessen Minister Myawaddi erstellt. Die meisten Nats gehören dem Königshaus an, darunter sind elf Bedienstete des Herrscherhauses, acht Prinzen, vier Königinnen und neun Könige, z. B. Tabinshweti (reg. 1531–51), der von Mon-Rebellen enthauptet wurde, oder Alaungsithu (reg. 1112–1167), der durch die Hand seines Sohnes und Nachfolgers Narathu (reg. 1167–70) getötete Bagan-König.
Im ganzen Land werden unzählige, meist namenlose Nats verehrt. Einige sind nur von regionaler Bedeutung, wie etwa die in Bago beliebte Bago Maedaw oder Shwenankyin am Goldenen Felsen. Es scheint, als gehöre das ganze Land den Nats.
Buddhismus
Wie kaum ein anderes Volk Südostasiens identifizieren sich die Birmanen mit dem Buddhismus. Sie
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