MYLADY HOCHZEITSBAND Band 01
ein törichter Gedanke, immerhin waren sie Nachbarn, und sie konnte es nicht verhindern, ihm gelegentlich zu begegnen. Streng wies sie sich selbst zurecht, dass er ihr nichts bedeutete, ein bloßes Ärgernis für sie war, auf das sie gut verzichten konnte.
„Ich wollte schauen, wie es dem jungen Burschen hier geht“, erklärte er lächelnd, als hätte es nie eine Auseinandersetzung zwischen ihnen gegeben. „Er scheint bereits wieder völlig genesen.“
„Das freut mich zu hören.“
Er schaute sich um, das winzige Cottage war eindeutig zu beengt für sie beide, besonders da sich alle Kinder im Inneren aufhielten, um zuzusehen, wie der vornehme Lord mit ihrem Bruder auf dem Boden spielte. „Ich werde mich verabschieden, damit Sie mit unserem jungen Helden sprechen und sich selbst von seiner Genesung überzeugen können“, meinte er zu Charlotte, dann wandte er sich an Tommy, sodass der Junge von seinen Lippen lesen konnte. „Ich muss gehen.“
In Tommys Miene spiegelte sich Enttäuschung. Mühsam brachte er einige Worte hervor, die Charlotte indes nicht verstand. Roland aber beugte sich zu dem Jungen hinunter und wuschelte ihm durchs Haar. „Du kannst mir an einem anderen Tag die Chance zur Revanche geben. Nun aber muss ich gehen. Miss Cartwright ist deinetwegen zu Besuch gekommen, also wirst du Gesellschaft haben.“
Er verabschiedete sich von Mrs. Biggs und verließ das Cottage, was in Charlotte unerklärlicherweise ein Gefühl der Niedergeschlagenheit hervorrief. Sie hatten nichtssagende Höflichkeiten ausgetauscht, wie es die Konvention verlangte, während das, was sie sich wirklich zu sagen hatten, ungesagt blieb. Vielleicht war es besser so. Höflichkeit kostete schließlich nichts.
„Seine Lordschaft ist ein feiner Mann“, sagte Mrs. Biggs, nachdem sie Charlotte für die mitgebrachten Lebensmittel gedankt hatte. „Er hat Alf gesagt, dass er seine alte Stellung wiederhaben kann.“
„Das freut mich.“
„Und auch Sie waren gut zu uns, Miss Cartwright. Die Milch und die Eier haben mir in den letzten Wochen sehr geholfen.“
„Ach, dafür müssen Sie mir nicht danken, Mrs. Biggs. Wie geht es dem Baby?“
„Es wächst und gedeiht. Und meine Hannah ist nun alt genug, in Stellung zu gehen. Seine Lordschaft hat ihr Arbeit in der Küche von Amerleigh Hall gegeben, und da auch Matty und Beth Arbeit haben, können wir uns wirklich glücklich schätzen.“
Charlotte unterhielt sich noch eine Weile mit Tommy, mithilfe von Gesten und Lippenlesen, was er offenkundig sehr gut beherrschte, bevor sie sich verabschiedete und auf den Heimweg machte.
Ihr Weg führte an der Dorfwiese vorbei. Dort stand ein Wassertrog, und sie sah Lord Amerleigh neben seinem Pferd stehen, das daraus trank. Als er sie bemerkte, fasste er den Hengst am Zügel und kam ihr entgegen. „Miss Cartwright.“
Hatte er etwa auf sie gewartet? Ihr stand nicht der Sinn nach einem weiteren Streit, doch aus welchem Grund sollte er sie sonst angesprochen haben? „Mylord“, sagte sie knapp und ging weiter.
Er schloss sich ihr an. „Reiten Sie heute gar nicht aus?“
„Nein, dazu bin ich zu beschäftigt.“
„Mit dem Vollbringen guter Taten im Dorf?“ Er wusste, dass dem so war. Die Dörfler sprachen sämtlich in höchsten Tönen von ihr. Voller Begeisterung lobte man ihre Großzügigkeit, ihre Güte, ihr Mitgefühl und ihr bodenständiges Wesen. „Trotz all ihrem Geld ist sie nicht hochnäsig, kein bisschen“, sagte man. Aber kannten die Dörfler denn ihr wahres Wesen? Wussten sie, dass sie ihrem verstorbenen Vater in nichts nachstand und die Weberei mit harter Hand führte, damit sie Profite erwirtschaftete? Dass ihr Vermögen, von dem sie lebte und mit dem sie ihre Großzügigkeit finanzierte, einst durch Sklaverei angehäuft worden war? Vielleicht hatte sie keinen Anteil an dem schweren Schlag, den ihr Vater dem seinen versetzt hatte, doch offensichtlich war sie entschlossen, die Feindschaft ihrer Familien aufrechtzuerhalten.
„Unter anderem.“ Sie schwieg kurz, bevor sie fortfuhr. „Mrs. Biggs sagt, Sie haben ihren Gatten wieder in Stellung genommen.“
„Ja. Wie Sie so richtig bemerkten, brauche ich ihn. Die Parkanlagen sind recht verwahrlost, dabei wurden sie einmal im ganzen Umkreis bewundert. Zu meiner Kinderzeit führte meine Mutter häufig Besucher durch den Garten und teilte ihr Wissen mit Gleichgesinnten. Es wird wohl einige Zeit dauern, doch mit der Hilfe meiner Mutter will ich mein Bestes geben, damit der
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