MYLADY HOCHZEITSBAND Band 01
kein Mensch, ob Mann oder Frau, sollte der Leibeigene eines anderen sein.“
Roland, der diesem Gespräch schweigend zugehört hatte, wandte sich überrascht an sie. „Das wusste ich nicht.“
„Sie wissen nicht alles über mich, Mylord.“
„Ganz offenbar. Was kommt als Nächstes, frage ich mich.“
„Also, ich muss sagen, ich bewundere Sie“, warf Elizabeth ein. „In solch jungen Jahren eine dermaßen große Verantwortung zu tragen muss beängstigend sein.“
„Ich bin mit dieser Verantwortung aufgewachsen, Mrs. Temple.“
„Sind Sie denn nicht verheiratet?“
„Nein.“
„Ein Gatte würde Ihnen sicherlich die Last von Ihren Schultern nehmen.“
Charlotte lachte. „Er würde mir alles nehmen.“
„Miss Cartwright genießt ihre Unabhängigkeit“, warf Roland ein.
Er hatte in den letzten beiden Stunden mehr über sie erfahren als in der ganzen Zeit seit seiner Rückkehr. Warum nur hatte sie ihn nicht korrigiert, als er sie vor geraumer Weile des Sklavenbesitzes bezichtigte? Warum mussten sie sich immer nur aneinander reiben, bis die Funken flogen?
„Ich hoffe, diese Unabhängigkeit lässt Sie kein Hilfsangebot ausschlagen“, meinte Geoffrey nachdenklich. „Denn möglicherweise kann ich Ihnen bei der Baumwollbeschaffung helfen. Zwar handele ich selbst mit Wolle, doch ich habe auch gute Verbindungen zum Baumwollmarkt.“
„Wenn Sie mir helfen können, werde ich diese Hilfe selbstverständlich dankbar annehmen.“
„Welche Menge Baumwolle benötigen Sie, und wie viel sind Sie bereit, dafür zu zahlen?“
Charlotte wurde lebhafter, als hätte man ihr tatsächlich eine große Last von den Schultern genommen. Roland schaute schweigend zu, wie sie die Fragen seines Cousins beantwortete, die benötigten Arten des Baumwollgarns erklärte, um die dringendsten Aufträge erfüllen zu können, sowie deren Menge und Qualität, und er wunderte sich. Sie verfügte über großes Wissen, sie war klug – und sie war, selbst in diesem seltsamen Kleid, jeder Zoll eine Frau, jung und schön und sehr begehrenswert. Plötzlich überkam ihn der inständige Wunsch, ihr das zu sagen.
Bald nach Ende der Mahlzeit zogen sie sich zurück. Eigentlich hätte der harmonische Verlauf des Abends mir eine angenehme Nachtruhe bescheren sollen, dachte Roland. Stattdessen aber fand er keinen Schlaf, denn in seinem Kopf kreisten unablässig Bilder von Charlotte; wie sie Tommy tröstete, Mrs. Biggs Baby in den Armen hielt, ausgelassen mit ihren Arbeitern tanzte, auf einem Kinderstuhl saß und wie ein Schulmädchen über die Zeichen lachte, mit deren Hilfe sie sich unterhielten. Charlotte auf dem Pferd und geschickt eine Karriole fahrend, eine wütende Charlotte mit blitzenden grünen Augen und eine Charlotte voller Sorge über den Verbleib der „Fair Charlie“ und der Mannschaft. Er konnte nicht anders, er betete sie an.
Roland wachte erst spät am nächsten Morgen auf, und als er hinunter zum Frühstück ging, musste er feststellen, dass sie schon aufgestanden und ohne ihn aufgebrochen war. „Miss Cartwright wollte in aller Früh abreisen“, erklärte Geoffrey. „Sie hatte es eilig, ihren Arbeitern zu versichern, dass die Garnlieferung in Bälde erfolgen wird.“
„Und warum zum Teufel hast du mich nicht geweckt?“
„Weil sie mich darum bat. Außerdem hast du deine eigene Kutsche.“ Er lächelte. „Übrigens wurden Elizabeth und ich von ihr zu einem Kostümball eingeladen.“
„Den hatte ich schon ganz vergessen. Wollt ihr denn daran teilnehmen?
„Natürlich. Das möchte ich um nichts in der Welt versäumen.“
„Dann seid ihr herzlich eingeladen, während eures Aufenthaltes in Amerleigh Hall zu wohnen. Ich werde meiner Mutter Bescheid geben. Sie wird sich freuen, euch wiederzusehen und euch sämtliche Neuerungen zu zeigen, die wir gemacht haben.“
„Danke. Ich freue mich auch. Aber jetzt frühstücke in aller Ruhe. Ich muss mich leider verabschieden und mich um die Baumwolle kümmern.“ Er eilte aus dem Zimmer.
Roland blickte auf den Frühstückstisch, auf dem benutzte Teller standen, die zeigten, dass zwei Menschen hier gefrühstückt hatten.
„Diese verflixte Frau!“, rief er aus. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ Er machte auf dem Absatz kehrt, ging zu den Ställen und wies Bennett an, die Pferde anzuspannen. Plötzlich war es ihm wichtig, sie einzuholen.
7. KAPITEL
Charlotte wollte zwar tatsächlich rasch in die Fabrik zurückkehren, doch der eigentliche Grund für ihre überstürzte
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