MYLADY SOMMERBAND Band 03: HERZKLOPFEN IM ROSENGARTEN / LADY ODER KURTISANE? / (German Edition)
Lächelnd und ohne großes Aufheben hatte er sich der nächsten bezaubernden Dame zugewandt. Jetzt jedoch verspürte er nur einen Wunsch: den Rivalen zu vertreiben, um den Engel mit den kastanienfarbenen Locken für sich zu gewinnen.
Er straffte die Schultern, trat durch das Tor und bemühte sich, ein fröhliches Gesicht zu machen, als Daniel Harper ihm die Haustür öffnete. Der Bedienstete führte ihn in den Salon, wo Georgina und ihre Mutter zusammen mit Mansell saßen. Die drei schienen in ein ernstes Gespräch vertieft.
Als er eintrat, sprang Georgina auf und kam ihm mit ausgestreckten Händen entgegen. Ihre tiefblauen Augen leuchteten vor Freude. „Wie schön, dass Sie sich entschlossen haben, doch zu kommen, Mr. Latimer!“ Sie fasste ihn bei der Hand und zog ihn zum Sofa, wo sie sich zu seiner Überraschung neben ihm niederließ. „Etwas Wundervolles ist passiert“, rief sie aus. „Mr. Mansell hat die schönste Nachricht seines Lebens erhalten.“
„Wirklich?“ Latimers Herz klopfte zum Zerspringen. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Doch er bemühte sich, nach außen hin ganz ruhig zu erscheinen.
Tatsächlich schien Georgina nichts von seiner Aufregung zu bemerken. Sichtlich gut gelaunt fuhr sie mit ihrem Bericht fort. „Er hat bestimmt nichts dagegen, dass ich es Ihnen verrate.“ Sie wandte sich kurz zu Mansell um, der ihr, über das ganze Gesicht strahlend, zunickte. „Er hat nämlich Grund zu der Hoffnung, dass er die Frau seiner Träume nun doch noch heiraten kann – was wir ihm natürlich von Herzen wünschen.“
Alles Blut wich aus Latimers Wangen, und seine Stimme klang sehr gepresst, als er sagte: „Dann darf man wohl gratulieren. Wie heißt denn die glückliche Braut?“
„Sie kennen die junge Dame natürlich nicht. Es handelt sich um Nell, meine beste Freundin. Sie war eine Zeit lang mit ihrer Familie in London, ist aber heute Morgen nach Hause zurückgekehrt.“
„Ihre Freundin Nell?“, stammelte Ned völlig verwirrt. Er wusste nicht, ob er seinen Ohren trauen durfte, und starrte Georgina einen Moment lang an wie eine Fremde. Dann machte sein Herz einen Satz, und ein warmes Leuchten trat in seine Augen.
„Ihre Eltern waren gegen die Ehe mit Mr. Mansell“, fuhr Georgina eifrig fort, „weil er über zu wenig weltliche Reichtümer verfügt. Doch nun, da Nell in London keinen wohlhabenden Verehrer gefunden hat, wird sie wohl ihrem Herzen folgen dürfen. Das hoffen wir jedenfalls alle. Schließlich verfügt Mr. Mansell ja jetzt über ein gesichertes Einkommen als Pastor. Bestimmt wird Nells Vater seinen Widerstand gegen die Verbindung aufgeben. Und zwar schon bald. Denn – und das ist das Beste – sie hat ihren Papa dazu überredet, Mr. Mansell morgen Vormittag zu empfangen. Ach, ich freue mich so!“
„Ich auch!“, rief Latimer. Sein Herz schlug noch immer viel zu schnell und zu heftig. Jetzt jedoch nicht mehr vor Angst und Zorn, sondern vor Erleichterung und Glück. „Das ist wirklich eine fantastische Neuigkeit!“ Dann sprang er zum Erstaunen aller Anwesenden auf, eilte zu Mansell hin, klopfte ihm auf die Schulter und wiederholte mehrere Male: „Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute!“
„Vielen Dank“, meinte der junge Pfarrer ein wenig verlegen. Bisher hatte er den Maler für einen etwas überheblichen, kurz angebundenen und keineswegs begeisterungsfähigen Menschen gehalten. „Noch sind wir natürlich nicht verlobt. Aber ich wage doch zu hoffen, dass alles sich zum Besten wenden wird.“
„Das wird es!“, bestätigte Latimer enthusiastisch. „Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Sie werden Ihre Nell heiraten und sehr glücklich werden.“ Damit ging er zurück zum Sofa und machte es sich bequem. Zufrieden schaute er von einem zum andern, und ein heiteres entspanntes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Mrs. Cunningham betrachtete ihn verblüfft. Seine Begeisterung erschien ihr übertrieben. Georgina jedoch wusste, warum er so aufgeregt war. Er hatte endlich begriffen, dass sie nicht in Mansell verliebt war. Es war ein wunderbares Gefühl, ihn darüber so erfreut zu sehen.
Gleich darauf verkündete Becky, das Dinner sei bereit. Mansell reichte Mrs. Cunningham den Arm, und Latimer führte Georgina zu Tisch. Rupert und Sophie tauchten scheinbar aus dem Nichts auf, grüßten höflich und nahmen auf ihren Stühlen am unteren Ende der Tafel Platz. Kate war wieder einmal bei den Radleys zu Gast. Es war also nur eine recht kleine Gruppe,
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